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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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verliebt war (oder es zumindest einmal gewesen war), also konnte er nicht vorhersehen, dass sie gleich nach einem Kellner winken, einen doppelten Wodka bestellen, geduldig auf ihn warten und ihn fast ganz austrinken würde, bevor sie sagte: »Immer wenn ich geübt habe, was ich antworten würde, wenn jemand auftauchte und mir diese Frage stellte, bin ich davon ausgegangen, dass es Stent sein würde. Oder jemand vom FBI . Oder jemand von Bedeutung. Ich hätte nie gedacht, dass es jemand wie Sie sein würde. Darauf bin ich nicht vorbereitet. Und jetzt versuche ich, mich daran zu erinnern, warum ich eigentlich sagen soll, was ich sagen wollte. Aber heute Vormittag fühle ich mich ganz wie jemand, dem es scheißegal ist.« Sie verzog das Gesicht, als hätte sie gerade erst gemerkt, wie Alkohol schmeckt. »Wissen Sie, das kann man sich heute nicht mehr richtig vorstellen, aber es gab eine Zeit, da habe ich wirklich daran geglaubt. Vor vielen Jahren, als sie mich in New York in ihre Fänge bekamen. Ich habe Das Kapital ganz durchgelesen – ich glaube, nicht einmal Bill Foster hat Das Kapital ganz durchgelesen! Und ich habe mich so gern nützlich gemacht, auch wenn ich bei ihnen nie richtig beliebt gewesen bin, weil ich nicht zu den Mädchen gehörte, die sich für die Partei die Lippen anmalten und irgendeinen Diplomaten fickten. Dann habe ich Stent kennengelernt, und wir haben geheiratet und sind hier rausgezogen. Ich hatte das alles ganz vergessen. Bis anno ’34 eines Tages Drabsfarben bei mir auftauchte und sagte, man habe ihm erzählt, ich sei eine treue Freundin der Kommunistischen Internationale.«
    Loeser hatte das immer für ein Lied gehalten. Er nickte.
    »Zu Anfang wollte er nur, dass Stent seinen Namen unter ein paar Petitionen setzte. Dann kamen die Leserbriefe an die Zeitungen. Dann mussten wir nach Moskau reisen, und Stent musste diese Artikel schreiben. Und die Romane mussten immer antikapitalistisch, antibürgerlich und regierungskritisch sein. Das hat mir alles nicht viel ausgemacht. Manchmal hatte ich sogar noch das Gefühl, ein gutes Werk zu tun. Aber dann wollte Drabsfarben uns direkt mit einbeziehen. Er schleuste Menschen nach Kalifornien. Gugelhupf war der Erste. Glauben Sie etwa, ich hätte jemals in diesem lächerlichen Glaskasten wohnen wollen? In Berlin mag es eine politische Geste sein, so ein Haus zu bauen. Hier könnte man sich genauso eine gotische Ritterburg bauen oder eine Tiki-Hütte oder was auch immer. Nur dass die Baufirmen hier mit Plänen wie denen von Gugelhupf nichts anfangen können, also passt nichts zusammen, und überall ragen Nägel heraus. Und dabei ist es die Hälfte der Zeit über so heiß, dass man nicht mehr klar denken kann! Aber Drabsfarben hat gesagt, wir müssten uns ein Haus von Gugelhupf bauen lassen, weil das der einfachste Weg sei, ihn in Kalifornien zu etablieren. Sie brauchten ihn hier. Ich weiß noch immer nicht, warum. Und wie hat das Arschloch es uns gedankt? Mit dem Wiederaufguss eines alten Entwurfs. Dann ließ Drabsfarben mich das Komitee für kulturelle Solidarität als Tarnorganisation aufbauen. Wir fingen mit den Partys an. Ich hasse diese Partys. Ich habe Partys schon immer gehasst. Ich hatte im ganzen Leben noch keine Party gegeben, als die Anordnung von Drabsfarben kam. Wissen Sie, wie ich gern meine Abende verbringe? Kochen mit meinem Mann und dann Sex am Strand. Aber Drabsfarben hat mich dazu gebracht, uns zwei Mal die Woche das Haus mit Fremden zu füllen, damit er sie in seiner Hummerfalle fangen kann. Es wird jedes Jahr schlimmer. Jedes Jahr will Drabsfarben mehr.«
    Loeser fiel das Gespräch wieder ein, das er vor fünf Jahren auf der Party der Muttons missverstanden hatte. Immer irrt man sich, dachte er nun, immer und immer, bei allem und jedem; sollte irgendein jüngerer Vetter jemals dumm genug sein, ihn um Lebensratschläge zu bitten, würde er ihm nicht mehr sagen können als das. Die Wahrheit trappelte einem nachts über dem Kopf hin und her, aber nicht einmal die Farbe ihres Fells bekam man zu sehen. »Und was sagt Ihr Mann dazu?«, fragte er.
    »Stent? Der hat keine Ahnung! Es schmeichelt ihm einfach, dass ich mich so für seine Arbeit interessiere. Es schmeichelt ihm, dass ich dauernd mit Ideen und Änderungsvorschlägen komme. Nie hätte ein Schriftsteller eine bessere Lektorin gehabt, sagt er.« Sie schüttelte den Kopf. »Inzwischen ist mir egal, was aus mir wird. Es ist mir egal, ob sie mich wegen Spionage einsperren. Es ist mir

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