Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
sowie Dänemark, Norwegen und Schweden führte (mit der jungen Bundesrepublik als zunächst assoziiertem Mitglied). In ihrem Kern litten ausnahmslos alle dieser Bestrebungen darunter, dass ihnen kaum ernst zu nehmende Vorstellungen über die Struktur eines geeinten Europa und seine Rolle in der Welt zugrunde lagen, sondern allenfalls nur das Bedürfnis einer gemeinsamen Absicherung gegen die befürchteten strategischen Absichten Moskaus. Allein eine solche Motivation reichte jedoch in keiner Weise aus, um die jeweiligen nationalen Interessen dauerhaft unter einen Hut zu bringen. Bald sollte daher das Interesse am »Europarat« wieder einschlafen.
Vor dem Hintergrund der fortbestehenden Einstellung der meisten Regierungen war zudem nicht zu übersehen, dass die traditionellen wirtschaftlichen Rivalitäten durch das Kriegserlebnis nicht einfach verschwunden waren. Im Gegenteil: Mit jedem Friedenstag lebten sie stärker wieder auf. Das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland war davon in keiner Weise ausgenommen. Vielmehr führte die Frage der künftigen politischen Zugehörigkeit des Saarlands, das Frankreich in der einen oder anderen Form für sich beanspruchte, sogar zu einem echten Konflikt.
Die historische Stunde von Jean Monnet hatte geschlagen. Gefragt waren jetzt nicht mehr schön klingende Sonntagsreden, sondern ebenso zähe wie zielbewusste Bemühungen um konkrete Schritte. Was folgte, war denn auch kein Versuch eines weiteren »großen Wurfs«, sondern ein sorgsam abgewogener politischer Kompromiss. Genau diese kluge Enthaltsamkeit aber sollte sich im Verlauf der folgenden Jahre und Jahrzehnte als verlässlicher Grundstein für das immer engere und vertrauensvollere Zusammenwirken zwischen Deutschland und Frankreich erweisen, ohne das die bisherige Erfolgsgeschichte Europas undenkbar gewesen wäre. In der Regel wird dieser erste Schritt, der alles Weitere nach sich zog, mit dem Namen eines französischen Staatsmannes verknüpft, dem Namen von Robert Schuman. Das ist zwar insofern berechtigt, als der damalige französische Ministerpräsident (und spätere Außenminister) – tief in seiner katholischen Tradition verwurzelt und fest von der Notwendigkeit überzeugt, die westeuropäischen Nationen unter einem christlich-abendländischen Banner zu vereinen – auf der eigentlichen politischen Ebene entscheidend zum Gelingen des Vorhabens beigetragen hat. Der eigentliche Vater des Schuman-Plans war freilich ein anderer: eben Jean Monnet.
Seine Grundidee war einfach. Ohne je das langfristige Ziel einer politischen und wirtschaftlichen Zusammenführung Europas aus den Augen zu verlieren, mussten zunächst für ein eng abgegrenztes, genau überschaubares und doch für die Beteiligten lebenswichtiges Gebiet Vereinbarungen getroffen werden, die eine unauflösliche Verflechtung der jeweiligen nationalen Interessen bewirkten. Im Prinzip war es das gleiche Strickmuster, das dreißig Jahre später dem durch den französischen Präsidenten Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt konzipierten Projekt einer europäischen Währungsunion zugrunde lag: zunächst Bindungen in einem Teilbereich zu schaffen, die sich als unauflöslich erweisen, und genau dadurch weitere Schritte zu einer grundlegenden politischen Vereinigung erzwingen.
Das ganze Gewicht eines solchen Vorgehens wird freilich erst dann deutlich, wenn man sich vor Augen hält, wie sehr es sich von allen Träumen eines sozusagen »von oben«, also durch die Regierungen »aufoktroyierten« Zusammenschlusses zu einem Einheitsstaat unterscheidet. Derartige Ansätze hatte es nicht erst durch die erwähnte Initiative von Winston Churchill unmittelbar nach Kriegsende, sondern bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts – nicht zuletzt durch die sogenannte »Paneuropa-Bewegung« des österreichischen Adligen Coudenhove-Kalergi und gegen Ende des Jahrzehnts durch einen Plan des französischen Außenministers Briand – gegeben. Gescheitert waren sie alle daran, dass sie zwar auf dem Papier wunderschön, ja begeisternd klangen, aber in der politischen Realität von vornherein nicht die geringste Chance hatten: Sie verkannten ganz einfach, dass die gegenläufigen Interessen einer Unzahl von machtvollen Beteiligten nur dann überwunden werden können, wenn man das spätere Ziel Schritt um Schritt ansteuert (und dabei die Kraft aufbringt, notfalls auch gravierende Rückschläge zu verkraften).
Zugleich liegt damit ein gewichtiger Unterschied zu der
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