Ehe auf krummen Beinen
Abend. Ich begrüßte Reni aufrecht stehend. Dabei sah ich ihr Türschild.
Renée Reinhardt.
Aha. Renée. Das machte sich besser als Bildunterschrift. Reni für die Freunde und Renate auf dem Taufschein. Bei uns Dackeln hat man das auch oft.
Wir traten ein. Der Vorraum hatte die Größe einer besseren Besenkammer. Ich geriet zwischen Dans Füße und konnte nur schwer wieder herausfinden. Nach rechts und links gingen Bad und Küche ab. Auch die Küche war eine winzige Angelegenheit. Dagegen war das Wohnzimmer groß genug für uns alle. Ein grobfaseriger Teppich lag darin, und in der Mitte saß Topsy mit frisch gekämmten Seidenlocken und begrüßte mich huldvoll. Ich versuchte eine Art Kratzfuß, aber es klappte nicht, wie es sollte.
Die Einrichtung sah aus wie Reni selber. Zierlich und keß. Vor dem großen Fenster hing ein grellbunter Vorhang, der fast die ganze Wand einnahm. Davor stand ein Tisch mit dünnen Beinen und geformt wie eine Cognacbohne, daneben ein Stuhl, der bestimmt nicht wußte, wie er zu diesem Namen gekommen war. Er bestand aus stoffbespannten Stahlrohren und schien sein eigenes Gewicht nicht tragen zu können. Es waren aber noch zwei normale Stühle da. An der rechten Wand hing ein gleichfarbiger Vorhang wie der am Fenster, die andere Hälfte war ein Schrank mit mehreren Abteilungen. Links stand eine Mischung aus Bücherregal und Schreibtisch, die zum Schreiben durchaus ungeeignet war, helles Holz mit goldenen Knöpfen. Auf einem ebensolchen Plattenschrank stand das Radio und jaulte leise vor sich hin. Neben der Tür in einer Vitrine drängten sich Gläser, Vasen, Geschirr, Stoffpuppen und Gummitiere. Die Beleuchtung war so raffiniert, daß man nicht erkennen konnte, ob Staub gewischt war oder nicht.
Reni und Dan kamen herein. Sie war diesmal in Dunkel, in einem leinenen Cocktailgewand, unten weit und oben eng und offenherzig. Die Brosche über dem Ausschnitt gab sich Mühe, aber ganz schaffte sie es nicht.
Reni deutete auf den unmöglichen Stuhl.
«Dort sitzen Sie.»
«Ist das Ihr Ernst?» fragte Dan.
«Mein voller.»
Dan ließ sich vorsichtig nieder. Ich wartete darauf, daß er die Mißgeburt zu einem Drahthaufen zusammendrücken würde, aber es passierte nichts dergleichen. Nur hochkommen würde er nicht mehr.
Reni brachte Gläser und eine Kanne und Dan hebelte den Korken aus der ersten Flasche. Das Zeug war knallrot, und es fing an zu riechen wie in einer Drogerie.
«Es lebe die Kemenate», sagte Dan. «Prost!»
Sie tranken mit wonneglänzenden Augen.
«Prima», sagte Reni. «Das macht Appetit.»
Dan erwiderte, daß er mehr Appetit eigentlich nicht brauche. Sie tranken aber doch noch ein paar Gläser. Dann band Reni eine aparte Schürze um ihre Figur und fing an zu arbeiten. Während sie in der Liliputküche klapperte, spielte Dan schnelle Platten, um ihren Eifer zu fördern. Ich kugelte mit Topsy auf dem Teppich herum, aber gemessen und ohne Übermut.
Aus der Küche wälzten sich Wohlgerüche. Reni flitzte ins Zimmer und deckte den Tisch. Tatsächlich, es gab Lachs und Kaviar als Vorspeise, wie bestellt. Dan quälte sich ächzend aus seinem Stuhl, weil er mit dem Kinn kaum die Tischplatte erreichte, und setzte sich auf einen anderen. Sie tranken Bier zum Essen. Topsy und ich waren noch nicht sehr interessiert, weil wir mit Fisch wenig im Sinn hatten.
Dann kamen die Lendensteaks, knusprig, duftend, wohlgarniert. Reni kaute den ersten Bissen und verzog entsetzt das Gesicht.
«O Gott! Zu salzig!»
Dan aß tapfer vor sich hin.
«Nicht der Rede wert», sagte er. «Ich danke für Ihre Zuneigung.»
Er reichte mir einen Brocken herunter. In der Tat. Elend salzig. Ein schöner Brand stand uns bevor für die Nacht. Ich fraß es trotzdem, und auch Topsy zierte sich nicht. Reni ärgerte sich ein bißchen, aber Dan tröstete sie und aß alles restlos auf. Ich half ihm, so gut ich konnte. Schließlich kostete es nichts. Der Durst stellte sich prompt ein. Ich trank einen Waschtrog voll Wasser, und Dan räumte unter den Flaschen auf, wie ein Bierfahrer im Sommer.
Später saßen wir in trauter Runde zwischen Gläsern und Zigarettenqualm. Reni erzählte von sich selber. Sie gab dabei ein bißchen an, als hätte sie Dior und Schuberth zu Verwandten und Goethe unter den Ahnen. Eigentlich hätte sie ja Kunstgeschichte studieren wollen, aber man käme so spät ans Verdienen, nicht wahr, so wäre es doch, und Dan sagte, natürlich, so wäre es, aber trotzdem sei es schade, daß die Kunst ohne
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