Ehemänner
Blatt des Amberbaums ausläuft, sprießen lässt und jeden Vogelkopf anders formt, wurde in den dreißig Minuten, die das Unwetter andauerte, schwer beschädigt.
Am Donnerstagmorgen sah Claudia die Überlebenden des Vortags auf ihre Terrasse flattern. Deren Verlust glich dem eigenen. Claudia kamen sie mutiger vor als früher. Ihr Stückchen Mauersims voller Vogelfutter verteidigten sie, als könnten sie alles auf einmal verschlingen. Erschreckend fand sie die Entschlossenheit eines roten Vogels, der vor der Schale mit Samenkörnern ausharrte und keinen anderen näherkommen ließ. Wenn einer es auch nur wagte, ein Füßchen in seine Nähe zu setzen, machte er einen Satz, hielt sich mit flatternden Flügeln in der Schwebe und stieß den Kontrahenten weg. Er musste bei dem Unwetter wohl sein Liebchen verloren haben, erklärte Claudia sich seine Aggressivität.
Eine Katastrophe war auch das, was noch am gleichen Abend geschah. Ihr Ehemann kehrte erst spät heim und sagte, er habe in einer Bar Boleros gehört. Mit Freunden? Ja, mit Freunden.
Immer dasselbe alte Lied, so hatte auch die Lieblingsausrede ihres ersten Mannes gelautet. In einer Bar mit Freunden: Im Fall ihres Exgatten bedeutet das, das süße Parfum einer ungebundenen jungen Dame, eine nicht weiter benannte Krankenschwester, die ganz sicher erst zwanzig war. Armes Wesen. So lernt man, die drei Buchstaben H zusammenzuzählen, an denen keine Frau im Leben vorbeikommt: Halunke, Hurenbock, Hahnrei, dachte Claudia. Man könnte noch hinzufügen: Hasenfuß und Hohlkopf, fiel Claudia ein. Doch normalerweise sind es drei Eigenschaften, die zusammenkommen. Oder die drei W: wehleidiges, widerspenstiges Weichei. Drei K mochten vielleicht auf einen passen, der klug, kaputt und kalt ist. Jeder mochte sich da seine eigenen Dreiergrüppchen zusammenreimen.
Es gibt auch Härtefälle, in denen alle Buchstaben samt Eigenschaften auf einen einzigen Mann passen.
Am Freitag kamen die Kinder zum Essen aus der Schule heim: ihre beiden aus erster Ehe, die zwei aus der ersten Ehe ihres Mannes, und ihre gemeinsame Tochter, die ununterbrochen von ihrem ersten Freund erzählte.
»Er ist die Liebe meines Lebens«, sagte sie.
»Den wirst du noch heiraten«, unkte eine ihrer Schwestern.
»Nein, Tante Ana sagt nämlich, die Liebe des Lebens gebe es nur mit jemandem, den man nicht heiratet«, sagte die andere.
»Viele weise Sprüche für eine Mahlzeit«, scherzte Claudia, obwohl sie es bitterernst meinte.
Die Zwölfjährige beharrte, noch nie habe jemand einen Menschen so gern gehabt wie sie diesen Jungen seit der Pause.
»Dein Mann wird noch eifersüchtig werden«, sagte der Älteste an Claudia gerichtet. »Die will euch zu Großeltern machen. Sie ist genau wie du, nur noch perfekter und radikaler.«
»Ja, ich bin wie du. Wo ist übrigens Papa?«, fragte das Mädchen, als es nach dem Kompott aufstand, um den Geschwistern zu folgen, die bereits in ihr anstrengendes Teenagerleben geflüchtet waren.
Der Vater? Das hätte Claudia auch gerne gewusst, die sich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass die Boleros ihr den Ehemann entfremdeten. Seit fünf Tagen erschien er nun schon nicht mehr zum Essen, wo er doch sonst so penibel und überpünktlich war, Restaurants verabscheute und sich nie mehr als zwei Stunden zwischen der letzten Sprechstunde am Vormittag und der ersten am Nachmittag gönnte. Wo trieb er sich wohl gerade herum? Immerhin hatte sie ihn einst geheiratet, um nicht noch einmal wie in ihrer ersten Ehe den Albtraum zu erleben, nie zu wissen, wo ihr Mann gerade steckte und wann er heimkommen würde.
Freitage sind kein guter Ratgeber. Ein Freitag im leeren Haus kann wie Blei sein. Claudia fühlte ihn schwer auf sich lasten. Drei Arten von Liebe hatte sie in den Jahren zwischen zwanzig und fünfundvierzig erlebt: die offizielle, die private und die unausgesprochene. Doktor Menéndez gehörte zur dritten Kategorie. Zu der Art, die aufreibt. Es lindert ein wenig den Schmerz, wenn man darüber reden kann, wenn man aber zum Schweigen verdammt ist, gibt es kein Heilmittel. Sie fand, Eugenio sei ein Name, den man nur im Geheimen aussprechen dürfe. Seine Augen gefielen ihr. Und seit ihrem Abschied am Montag hatten sich zwei Katastrophen ereignet.
Der Gang zur Haustür führte sie an der Küche vorbei. Dort hing eine Tafel an der Wand, auf der jeder Nachrichten für jeden hinterlassen konnte. Hastig kritzelte sie darauf: »Ich bin weg, Boleros hören.«
Claudia wusste, dass
Weitere Kostenlose Bücher