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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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Mutter. »Kein Mann, egal wie lieb er war, hat es nicht auch verdient, ein paar Jahre als Strohwitwer zu leben. Er wird verdammt leiden.«
    »Von mir aus soll es ihm ruhig gut ergehen«, sagte Leonor und strich ihrer Mutter über die Schulter. Dann rief sie die Kinder zu Tisch, und die Familie nahm vor den dampfenden Suppentellern und dem weichen Brot Platz, als wäre nichts geschehen.
    Zur gleichen Zeit entstand auf einmal am anderen Ende der Stadt in Lupe Garzas zerwühltem Bett eine brüske Leere. Lupe sprang erschrocken auf, bat Leonors Ehemann, sich rasch anzukleiden und zu gehen, ohne Spuren zu hinterlassen, die seine Anwesenheit hätten verraten können. Am Freitag hatte sie ihre drei Kinder in die Obhut ihrer Schwester gegeben, und jetzt war es auf einmal schon Sonntagmittag, zwei Uhr, womit ihr kaum noch Zeit blieb, sie in Windeseile abzuholen, mit ihnen die Hausaufgaben zu machen und unvermeidlich die nächste Woche einzuläuten.
    »Danke, dass du bis heute geblieben bist«, sagte sie nach einem fahrigen Kuss auf seinen Nacken, bei dem ihn schlagartig die schlimmsten Kopfschmerzen befielen, die einen Mann in einer vergleichbaren Lage je geplagt haben. Als sie aufbrach, bat sie ihn noch, später anzurufen und doch bitte nichts zu vergessen.
    Was konnte Leonors Ehemann in seiner plötzlichen Bestürzung noch vergessen? Was konnte er noch vergessen, nachdem er bereits das Allerwichtigste vergessen hatte? Schon am Freitag hätte er Lupe Garza sagen müssen, dass er kein Bett mehr besaß. Daran hatte er nicht gedacht, ebenso wenig wie daran, dass nur ein Trottel das Bett räumt, in dem er ein halbes Leben geschlafen hat, und seine Frau zur Strohwitwe macht, ehe er ein neues Leben gefunden hat. Was konnte er noch vergessen, wo er doch schon die ganze Zeit die herrliche Bohnensuppe mit Speck vermisste, die er am heutigen Sonntag dampfend auf Leonors Herd in Gedanken vor sich sah? Nichts konnte er vergessen, am allerwenigsten die Vorfreude, die ihn immer auf dem Heimweg erfüllt hatte. An zu Hause hatte er nur eben so lange nicht gedacht, wie er sich ohne Sinn und Verstand am Hinterteil der düstertraurigen Lupe Garza ergötzt hatte, der bei Licht besehen gar nicht so ausladend war. Was konnte er noch vergessen, wo plötzlich selbst die Hunde ihm fehlten, stellvertretend für alles Übrige?
    Es würde zwar nicht gleich ein schlechter Mensch aus ihm werden, aber dafür ein zweifacher Strohwitwer, und von diesem Sonntag an würde es an den Sonntagen auf ewig so bleiben. Denn sein früheres Heim hatten längst die Hunde zu ihrem Reich gemacht, aus dem sie sich nicht mehr vertreiben ließen, während Lupe für einen neuen Ehemann keinen Platz hatte. So kann es einem ergehen.
    Vier Koffer hatte der gute Enrique im Wagen, und mit vier Koffern und zitternden Knien bezog er schließlich Quartier in einem Hotel. Was sollte er da noch vergessen?

Alle müde
    Sie war zweiundachtzig Jahre alt, als ein orangefarbener Blazer sie so sehr in seinen Bann zog, wie Kleidungsstücke es sonst nur bei Jugendlichen vermochten. So begann für sie die Weihnachtszeit des Jahres 2006. Sie musste ihn unbedingt haben. Es ist nie zu spät, sich in Schale zu werfen wie eine Prinzessin. Nicht, dass sie das mit diesen Worten zu ihrer Tochter gesagt hätte, die sie zum Einkaufen in die Stadt begleitet hatte, aber ihr Verhalten brachte es deutlich zum Ausdruck. Ein Leben lang hatte sie auf Dinge verzichtet, um sie anderen zu geben. Vor allem ihren Kindern natürlich. Anfangs, weil sie noch Kinder, dann, weil sie jung waren, und später, weil sie ihr Enkelkinder geschenkt hatten und weil sie aus lauter Gewohnheit zurückzustecken sparsam und bescheiden geworden war.
    Sie war so jung zur Witwe geworden, dass sie gut und gerne noch ein- oder zweimal hätte heiraten können. Aber der Gedanke, wieder von vorne anzufangen, widerstrebte ihr. Sie hatte mal friedliche, mal problematische Zeiten mit einem mal friedlichen, mal problematischen Mann erlebt, der unglücklicherweise den falschen Zeitpunkt gewählt hatte, um zu sterben, und sie mit fünf Kindern wie fünf offenen Fragen alleingelassen hatte.
    Die wollten nichts als groß werden und an sich selbst denken und nahmen sich gar nicht erst die Zeit, Mitleid mit ihr zu empfinden. Die Kinder hatten ihren Vater verloren und verschwendeten keinen Gedanken darauf, was es wohl für die Mutter bedeutete, den Mann zu verlieren. Solche Gedanken ließ sie auch gar nicht erst zu. Aus lauter Verzweiflung blieb sie

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