Ehemänner
eines Morgens einfach im Bett liegen, stand erst zur ersten Totenmesse wieder auf und tat fortan nichts weiter, als immer nur hinter dem Leben und seinen Aufs und Abs herzulaufen.
Innerhalb von zwei Jahren hatte sie ihre beiden liebsten Menschen verloren: erst ihre Schwester, dann ihren Ehemann. Sie drehte sich einfach um und blickte nur noch auf ihre Kinder, wollte nichts anderes mehr sehen, um nicht dem tödlichen Sog der Vergangenheit zu erliegen.
Jetzt, mit zweiundachtzig Jahren, hatte sie ihre erwachsenen Kinder, deren Ehepartner und ihre zwanzig Enkel. Sie sah immer noch blendend aus, war herausgeputzt wie der Mond an dem Abend, an dem sie den orangefarbenen Blazer erstanden hatte, als sei das endlich die längst verdiente Belohnung. Sie war selig. Heiligabend wollte sie ihn tragen, ihre Enkel sollten sie darin sehen, dachte sie, doch erst einmal würde sie zu der Adventsfeier gehen, die ihre Neffen und Nichten auf einem Landgut in der Nähe des Vulkans ausrichteten. Dort lag der Schnee fast in Reichweite, und der orangefarbene Blazer kleidete sie einen ganzen Abend lang, während das Fest mit Adventsliedern, Piñatas und Krippenspielen begangen wurde. Ihre jüngste Enkelin war als Lämmchen verkleidet, und glücklich schaute die Großmutter der Kleinen zu, wie sie mit ihren runden auf dem Kopf befestigten Öhrchen vorsang. Sie spürte, dass dieses Weihnachtsfest reiche Gaben bereithielt, doch sie dankte dem Himmel nicht, denn das Jahr hatte ihr übel mitgespielt. Zuerst war ihre Freundin Machi erkrankt, eine gutherzige Frau, in deren Augen die Sehnsucht nach Weihnachten lag. Doch ihr Herz hatte nicht weiterschlagen dürfen, so dass sie den Monat, der ihr am liebsten war, nicht mehr erleben konnte. Der Dezember begann ohne sie, und nicht mal die ersten vierzehn Tage waren vorbei, da hatte er auch ihre Schwägerin Teresa dahingerafft, die liebenswerteste Frau auf Erden. Nichts war sie diesem Jahr schuldig, das seinerseits ihr so viel schuldig geblieben war, und es gab keinen besseren Trost, als zu Ehren all derer, die sie verloren hatte, den orangefarbenen Blazer zu tragen, den sie sich in jüngeren Jahren nicht hatte kaufen können.
»Meine Oma ist so hip wie nie«, sagte eine ihrer Enkelinnen, als sie ihre Großmutter lächelnd am Kamin sitzen sah. Heiligabend hatten sie alle bei ihrer jüngsten Tochter zunächst einen zarten Truthahn und Stockfisch mit Tomaten und Oliven verspeist. Ein weiteres Gericht hatte ihre älteste Tochter im Restaurant ihrer Freundin Paquita besorgt. Das andere hatte sie an vier Nachmittagen hintereinander selbst bereitet, hatte geschmort, gebraten und gewürzt. Am 25. gab es wieder ein Familienessen, denn in den letzten beiden Dezemberwochen tut man nichts weiter als essen und sich unterhalten. Festtagsstimmung lag in der Luft, und festlich war auch die Tafel. Nach der Mahlzeit hatten sich die Kinder und Enkelkinder im Haus verteilt, und sie war am Kamin sitzen geblieben, wo sie den Flammen zusah, während drei Töchter sich allen möglichen Klatsch und Tratsch erzählten.
Eine Frau hatte ihren Mann für den Mann einer anderen verlassen und, als sie um die Scheidung bat, obendrein Unterhalt verlangt. Manche sind ganz schön dreist. Eine hatte ihrer Schwester den Mann weggeschnappt. Unglaublich. Zwei Schwippschwäger hatten ihre jeweiligen Partner verlassen, um zusammenzuziehen. Gut möglich. Diese Frau aus Chipilo, die von ihrem Mann geschlagen wurde, bis ihre älteste Enkelin unter Lebensgefahr dazwischengegangen war, hatte sich ohne Kommentar wieder mit ihm versöhnt. Bei Wiges stand eine zimtfarbene Hündin zum Kauf, wirklich allerliebst! Bei Wiges gab es alles zu kaufen, von Stecknadeln bis hin zu einem Pferd, das die Enkelin unbedingt mit dem Geld kaufen wollte, das sie für ihren Verlobungsring bekommen hatte, den ihr Bräutigam nicht hatte zurücknehmen wollen, als sie ihm erklärte, sie sei noch nicht reif für die Ehe. »Dann kauf dir doch ein Pferd«, hatte er gesagt. Das wollte sie nun tun und es Verlobung nennen. Es gebe gute Menschen, erzählten sie, und schlechte, während das Kaminholz in dem hell erleuchteten Haus in ländlicher Umgebung unter einem glitzernden Sternenhimmel glühte.
Die Söhne und Töchter und deren Angetraute kamen auf die Idee, Briska zu spielen, und bald machte sich am Esszimmertisch ein Geschrei breit wie im Spielkasino.
Schon seit einer Weile war die Tombola mit den Geschenken beendet, eine lustige Erfindung, mit der ihre Kinder dem
Weitere Kostenlose Bücher