Ehemann für eine Nacht?
anderen. „Ich hatte keine Ahnung. Ich bin neu hier in der Gegend …“
„Darf ich Ihnen den Marquess of Easterbridge vorstellen?“, sagte Belinda, ohne die Miene zu verziehen.
Die fremde Dame riss die Augen auf, ohne den Blick von Colin zu wenden.
„Ich bin Ihnen gern behilflich, Madam.“
„Ich … ach du lieber Himmel.“
„Kein Problem“, erklärte er schlicht. „Normalerweise kennt man mich unter dem Decknamen Colin.“
Der Supermarktmitarbeiter wirkte völlig verblüfft.
Belinda hätte beinah gekichert.
„Wenn du dich Belinda Wentworth nennen kannst, warum kann ich dann nicht Chuck sein, der Kaufmann?“, raunte Colin ihr zu.
„Erstens heißt du nicht Chuck“, flüsterte sie zurück. „Und zweitens wurdest du in ein Herrenhaus hineingeboren.“
„Du auch.“
„Es gibt da einen Unterschied. Ich bin weder Erbe des Landgutes noch des Titels eines Marquess.“
Colin machte Anstalten, noch mehr zu sagen, doch Belinda wandte sich wieder der älteren Dame zu. „Er ist ein gut aussehender Mitarbeiter, aber nicht annähernd so beeindruckend wie ein Lord, finden Sie nicht?“
Wenn das überhaupt möglich war, sah die Frau noch verlegener drein. „Mein Mann und ich würden uns sehr freuen, Sie zum Tee einladen zu dürfen, Mylord. Um Ihnen für Ihre Hilfe zu danken.“
Colin sah in den Einkaufswagen neben sich. „Ich nehme an, Espresso gibt es nicht?“
Die Dame lachte. „Die Kaffeemaschine kann umgetauscht werden.“
„Wir nehmen die Einladung sehr gern an“, erklärte Belinda lächelnd.
Colin seufzte auf. „Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen …?“
Der Marktmitarbeiter schien nicht zu wissen, was er jetzt tun sollte.
Colin nickte ihm zu. „Wenn Sie so freundlich wären, dieser netten Lady mit ihrem Umtausch behilflich zu sein?“
„Natürlich, Mylord.“
„Wunderbar.“
Belinda wartete neben Colin, bis die ältere Dame und der Supermarktmitarbeiter den Eingang erreicht hatten, und kehrte dann mit Colin zu ihrem Auto zurück.
„Danke, dass du die Einladung zum Tee angenommen hast.“
„Keine Ursache“, erwiderte Belinda amüsiert. „Nur hast du ihr nicht deine Adresse gegeben, damit sie einen Termin abstimmen kann.“
„Ich bin sicher, sie wird es schaffen, mich in Halstead Hall ausfindig zu machen.“
„Wie oft hast du das schon gemacht?“
„Was?“
Sie zeigte Richtung Supermarkteingang. „Na das.“
„Hin und wieder.“
„Es war nett von dir, ihre Fehleinschätzung nicht sofort zu korrigieren, sondern ihr einfach behilflich zu sein.“
Belinda bemühte sich, nicht von Colins Verhalten angetan zu sein, doch es fiel ihr schwer.
„Sie hat mich junger Mann genannt. Das ist vermutlich Ansichtssache, bringt aber trotzdem ein paar Pluspunkte.“
„Du hast es nicht anders verdient“, schalt sie, ohne es ernst zu meinen, „wenn du so lässig gekleidet zum Einkaufen gehst, dass du mit jedermann verwechselt werden kannst.“
„Hättest du es lieber, wenn ich mir ein Schild anstecke, das kundtut, dass ich ein Lord bin? Oder noch besser, ein Granville?“
„Bitte.“
Colin verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Vermutlich wäre es dir wirklich lieber, als die schreckliche Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass nicht alle Granvilles durch und durch Schurken sind.“
Sie erreichten ihren Wagen, und Colin hielt Belinda die Beifahrertür auf.
Belinda schaute Colin an, senkte jedoch schnell wieder den Blick. Sie gerieten in unangenehm tiefes Fahrwasser.
„Also, was das Trinkgeld angeht, das du einem gewissen gut aussehenden Marktmitarbeiter versprochen hast …“
Colins amüsierter Unterton ließ Belinda wohlig erschauern, und sie zog entschlossen die Wagentür zu.
Von der Tür aus beobachtete Colin, wie Belinda sich lächelnd mit der neunjährigen Tochter seines Cousins unterhielt.
Daphne stand vor einer Staffelei, und Belinda lobte sie und zeigte ihr ein paar Tricks, wie man das Bild noch leuchtender malen konnte.
Das leere Spielzimmer neben dem ehemaligen Kinderzimmer im zweiten Stock des Hauses war in ein Malstudio und Atelier für alle möglichen künstlerischen Tätigkeiten umfunktioniert worden. Auf dem Holzfußboden lag Leinwand herum, und durch die vorhanglosen Fenster fiel ungehindert das Morgenlicht ins Zimmer.
Ein halbes Dutzend Kinder war anwesend. Alle hatten mit Farbe bekleckste Kittel an. Einige legten ihre Malutensilien bereit, andere standen vor einer Staffelei und malten bereits. Colin erblickte die zehnjährige Tochter
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