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Ehen in Philippsburg

Ehen in Philippsburg

Titel: Ehen in Philippsburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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eingesehen, daß es, recht besehen, keine Rolle spielte, ob ein Mann, der im Monat achttausend Mark verdiente, seinen Staubsauger selbst bezahlte, oder ob er ihn geschenkt bekam. Alwin hatte allerdings auch bemerkt, daß die von Salows trotzdem sehr großen Wert auf die Werbegeschenke legten, daß sie immer den höchst möglichen Preis dafür zu bekommen trachteten, wenn sie sie verkauften. Das war eben die Familientüchtigkeit der von Salows, dank dieser Tugend hatten sie’s so weit gebracht, waren eine mächtige Familie geworden; aber im allgemeinen, bei anderen Reichen mochte es schon gelten, daß bei so großem Verdienst ein Eisschrank als Werbegeschenk nicht mehr bedeutete, als wenn ein Arbeiter einem anderen eine Zigarette anbietet.
     Oder waren etwa alle begüterten Leute von der Art der von Salows? Alwin wußte es nicht. Sie taten auf alle Fälle nicht so. Aber wahrscheinlich hatte man’s den Anzügen des Herrn Generaldirektors von Salow auch noch nie angesehen, daß er den Stoff immer zu lächerlichen Preisen von einem befreundeten Industriellen bezog. Warum sollte er das auch nicht tun? Alwin benutzte ja, seit er mit Ilse verheiratet war, die Salowschen Verbindungen auch so gut er konnte. Und trotzdem war es ihm nicht ganz wohl dabei. Darin lag eine Niedertracht, etwas Unlauteres. Er dachte an seine Verwandten, die ihr Geld im Zementwerk, im Schlachthof und in der Kohlenhandlung verdienten und die mit diesem sauer verdienten Geld die vollen Preise bezahlten, die Industrie plus Groß- plus Einzelhandel von ihnen verlangten.
     Aber Ilse hätte wenigstens ein Verlobungsgeschenk kaufen können, von mir aus zum Großhandelspreis, dachte Alwin. »Diesmal habe ich recht gehabt«, zischelte er Ilse ins Ohr. »Schon wieder was gespart«, flüsterte sie zurück und lächelte listig. Er haßte sie, als er sie ansah. Ilse hatte zu Hause gesagt: »Warum sollen wir uns die Unkosten machen, so eine Party geht vorbei, die Geschenke verlieren sich, werden vergessen, keiner spricht mehr davon, also ist es egal, ob wir etwas geschenkt haben oder nicht.« Mit dieser Frau mußte er’s zu etwas bringen. Mein Gott, was war diese Cécile doch für eine Frau. Aber mit der… Schluß jetzt… die Volkmann-Tochter war auch nicht schöner, sie lachte gerade, aber mit was für einem Mund, na, das hatte sich der Beumann selbst zuzuschreiben, so ein Idiot, allein und jung in einer Stadt wie Philippsburg und dann Anne Volkmann wählen und sich verloben und noch keine dreißig Jahre alt und alles bloß, um vorwärts zu kommen, sonst könnte man sich ins Freibad legen, sich müde schmoren lassen und abends in eine kühle Bar setzen, heute mit Cécile und morgen mit Vera, keinen Namen haben, kein Ziel, keine Wohnung, bloß ein Auto und ein bißchen Geld, mein Gott, für was rackert man sich bloß ab, Frauen, das ist doch das einzige und das versaut man sich wegen der einen, und die heiratet man, weil man Ziele hat, weil man ein Idiot ist, er und Beumann, sie konnten sich die Hand reichen, der hatte wahrscheinlich genau die gleichen Gründe gehabt und deshalb machte er genau die gleichen Dummheiten, stieg in den gleichen Käfig, armer Hund…
     Alwin dachte plötzlich an Ilses Großvater, an den Tod des Geheimrats von Salow. Die Kinder hatten sich um sein Bett versammelt und hatten seine letzten Stunden auf Tonband aufgenommen. Das hatte Dr. Adrian von Salow verlangt, da er in den Tropen lebte und nicht dabei sein konnte. »Wenn es so aussieht, daß es zu Ende gehen kann innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dann bitte ich darum, das Band nicht mehr abzuschalten«, so hatte er geschrieben, und die Familie war diesem Wunsch nachgekommen. Sie wußten, daß ihr Bruder, Sohn und Neffe Adrian diesen Wunsch geäußert hatte, weil er mißtrauisch war und deshalb eine notarielle Bestätigung darüber verlangte, daß das Tonband so und so lang gelaufen war, und sie fanden, Adrian habe damit einen guten Einfall gehabt, so wußte man wenigstens ganz genau, daß im Zimmer des Geheimrats keine Beeinflussungsversuche zugunsten eines einzelnen unternommen wurden; man konnte das Sterbezimmer beruhigt die eine oder andere Stunde verlassen… Warum mußte er jetzt daran denken? Weil Ilse so gelächelt hatte?
     Weil dieses Lächeln auch das Lächeln seiner Kinder sein würde? Wahrscheinlich hatte er schon zuviel getrunken. Rasch streichelte er über Ilses haarigen Arm – mein goldenes Vlies, dachte er, als er über die goldblonden Haare hinstrich –

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