Ehen in Philippsburg
Wagnerianer gewesen, der es fertiggebracht hatte, auch in ihr eine Liebe zu der betörenden Musik dieses Meisters deutscher Tonkunst zu erwecken. Nun, da ihr alle zuhörten, verkündete sie, daß sie sich, mit Einverständnis ihres Gatten, entschlossen habe, einen Kunstpreis zu stiften, und zwar einen Berta-Frantzke-Preis, der jedes Jahr einem jungen Komponisten verliehen werden solle; fünftausend Mark werde der junge Komponist erhalten, der in seiner Musik am reinsten jenen Geist spüren lasse, der deutscher Wesensart Geltung in der ganzen Welt verschafft habe. Alwin mußte, als er dies hörte, an die berühmt gewordenen Reden denken, die Frau Frantzke regelmäßig an die Arbeiterinnen in den Konservenfabriken ihres Mannes hielt. Besonders im Frühjahr versammelte sie ihre Arbeiterinnen um sich und warnte sie vor leichtfertigem Verkehr, da es Kinder genug gebe und vor allem genug Arbeiterkinder, genug Elende. In Gesellschaft hatte sie schon freimütig geäußert, daß man am besten jedes uneheliche Arbeiterkind in den Kanal werfen würde, damit erspare man allen Beteiligten viel Sorgen. Herr Frantzke lächelte gutmütig zu diesen Reden seiner Frau und sagte, sie meine es ja gut. Und nun würde es also einen Berta-Frantzke-Preis geben! »Und noch einen Preis werden wir stiften«, rief jetzt die von ihren eigenen Bewegungen mit gerissene Fabrikantin. »Mein Mann wollte nicht zurück stehen hinter mir, er wird einen Preis stiften – bitte dies ist eine vertraulich zu behandelnde Mitteilung für unsere Freunde, Leo will unsere Stiftungen auf einer Pressekonferenz bekanntgeben –, er wird also einen Preis stiften, der seinen Neigungen entspricht, einen FünftausendMark-Preis für den besten Sportler des Jahres! Dieser Preis wird der Leo-Frantzke-Preis heißen!« Frau Frantzke verharrte in Wagnersängerhaltung, um den Beifall derer, die sie als ihre Freunde bezeichnet hatte, entgegenzunehmen.
Hinausgeworfenes Geld, dachte Alwin. Diese Frau mußte er sich einmal vornehmen, die sucht noch, aus der ist noch etwas zu machen, wenn man die für die Partei einspannen könnte! Er hörte nicht mehr hin, als sie mit Herrn Relow und Herrn Mauthusius besprach, wen man wohl am besten in die Jury, die den Berta-Frantzke-Preis vergeben durfte, berufen sollte. Er spielte sich zu Büsgen hinüber, weil er hörte, daß der Geschichten aus seiner Praxis erzählte. Alwin vermutete, daß der Chefredakteur dabei auf Zuhörer sogar Wert legte und sie keineswegs als Störung empfand. Gerade war er dabei, den Erfolg einer Serie zu rühmen, die er unter dem Titel »Menschen, die ihre Pflicht tun«, gestartet hatte. Die Idee zu dieser Serie habe die Praxis geliefert: Ein Verkäufer der »Weltschau« sei an einer Kreuzung gestanden, bei Rotlicht, ein Autofahrer habe ihm gewinkt, der Verkäufer Bammel sei hingerannt, habe die »Weltschau« durchs Autofenster gereicht, habe das Geld kassiert, inzwischen sei die Ampel auf »Grün« gesprungen, und auf dem Rückweg zum schützenden Trottoir habe den alten Bammel, der achtzehn Jahre seines Lebens die »Weltschau« verkauft habe, ein Drei-Liter-Sport erwischt: auf dem Weg ins Krankenhaus sei der Arme gestorben. Mit diesem Ereignis habe er, Büsgen, die Serie eröffnet. So was ziehe natürlich. Und mit Recht. Die Leute könnten sich identifizieren. Natürlich auch ein Bild von Bammel dabei. Ein ehrliches Gesicht, ohne Schminke und Retusche. Bald nach Bammels Tod sei eine Verkäuferin des »Philippsburger Tagblatts« an einer Mauer eingeschlafen, mitten im Winter, Nacht von Samstag auf Sonntag, natürlich erfroren. Der Vertriebsleiter habe es vor der Familie bemerkt. Das sei natürlich ein Gag. Mit dem Tod der Tagblattverkäuferin sei die Serie überm Berg gewesen. Die Leute wollten handfeste Sachen, etwas, was sie glauben könnten. Natürlich auch Stars und Luxusbildchen, aber dann eben auch wieder harte Sachen, Realismus. Cécile nickte. Alwin sah den schlanken Hals, der in der Fülle des blonden Haares verschwand, wie sich das wohl anfühlte, dieser Nacken; sein Klient Benrath, dieser raffinierte Bursche, der würde darüber Auskunft geben können; ehrlich gesagt, eine Frau, mit der es nicht mehr weitergeht, auf diese Weise loszuwerden, dem Manne kann man gratulieren, so leicht würde es ihm Ilse nie machen, dessen war er sicher, auch wenn sie sich auf den Tod hassen würden, Ilse und Selbstmord, dazu war sie viel zu klug, sie wollte ja gar nichts wissen von den Dingen, die ihr eventuell Kummer
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