Ehen in Philippsburg
über das Nachtlokal Sebastian zu erfahren als diesen einen brummigen Satz. Und gleich fingen sie, gewissermaßen im Chor (manchmal trennten sich die Stimmen auch voneinander, sei es, daß der eine Atem holen mußte oder sich etwas überlegte), zu erzählen an, als wären sie in jeder Sekunde dabei gewesen. Und Hans erfuhr, daß Cordula eine Antiquitätengeschäft betrieben habe. Sakrale Kunst war ihre Spezialität gewesen. Jahrelang sei sie in Bayern und in Tirol herumgefahren, habe mit ahnungslosen Küstern, ehrgeizigen Pfarrern und habsüchtigen Bauern gefeilscht, habe die schönen Stücke, die sie der dörflichen Nichtachtung und Zerstörung entrissen habe, in Philippsburg einem verständigeren Publikum (»Was heißt: einem verständigeren Publikum!« rief hier Relow dazwischen, weil gerade Dieckow am Erzählen war. Das habe sie sich ja erst schaffen und erziehen müssen! Ja manchmal unterbrachen sie sich ziemlich schroff, wie es eben immer geht, wenn zwei einem einzelnen etwas erzählen wollen, wobei es dann jedem Erzähler wichtiger ist, daß er zu Worte kommt, als daß der Zuhörer wirklich eine Vorstellung von dem Erzählten bekommt)… nun gut, schaltete sich Dieckow rasch wieder ein, als er merkte, daß Relow den Faden nicht mehr aus der Hand, beziehungsweise aus dem Mund lassen wollte, auf jeden Fall habe sich Cordulas Laden für sakrale Kunst zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt ausgewachsen. (»Hat nie einer bestritten«, murrte Relow dazwischen.) Cordulas Geschäft habe damals die Geltung gehabt, die heute Cécile für sich erobert habe. Bitte, man sehe doch in Philippsburg in ein Haus von einigem Niveau, man finde keines, das nicht ein Stück aus Cordulas Hand enthalte, auch nicht das Haus des Atheisten Frantzke (»Frantzke ist doch viel zu dick, um Atheist zu sein«, lachte Relow störend dazwischen, weil er schon einige Sätze lang zum Pausieren gezwungen war). »Zu dick nicht, aber zu dumm«, übertrumpfte Dieckow den Einwand und riß damit gleichzeitig wieder das Heft an sich. Tja, und dann sei eben aus dem Laden für sakrale Kunst allmählich das Nachtlokal Sebastian geworden, gewissermaßen unmerklich, in einem fließenden, bruchlosen Übergang habe Cordula diese reizende Metamorphose zuwege gebracht. Schon die räumliche Anlage sei doch einfach bewundernswert, durch zwei Stockwerke gebaut und doch ein Raum, so sei ein Tempel der Geselligkeit entstanden, und Hans möge sich erinnern, ob er je einen Raum erlebt habe, der so mannigfache Möglichkeiten geboten habe, all die Terrassen und die Schlummerlogen, ja, er nenne sie Schlummerlogen, das sei seine persönliche Ausdrucksweise, die keine Anzüglichkeit enthalte, aber es sei eben so unsagbar gemütlich in diesen Logen, Beumann müsse das später einmal ausprobieren, nicht in seiner und Relows Gegenwart, sondern (»Wie wär’s denn!«) vielleicht mit Marga oder gar mit Cordula selbst, es mache sich in diesen Logen eine vorzügliche Konversation. Hans sah erschrocken zu Marga hinüber, wollte den Kopf schütteln, um ihr zu beweisen, daß er sie niemals mit einem solchen Antrag belästigen würde, sie solle doch bitte nicht meinen, er werde die Umstände, unter denen er sie nach so langer Zeit wieder getroffen habe, in dieser Hinsicht ausnützen. Marga lachte daß ihr die Haare ins Gesicht fielen. Hans wußte nicht recht, wie er das verstehen sollte. Relow fuhr bei der nächsten Gelegenheit, die er mehr schuf, als daß Dieckow sie ihm geboten hätte, dazwischen: »Das Wichtigste ist, man ist hier ganz unter sich.« Gott sei Dank habe Cordula darauf verzichtet, auf billiges Publikum zu spekulieren. Nur Leute von Niveau bekämen Schlüssel und würden damit zu Rittern des Nachtlokals Sebastian geschlagen, zu Chevaliers de l’Établissement Sebastian. Und diese Sebastianer brächten eben nur Freunde mit, die des Lokals würdig seien.
Hans fragte schüchtern, wer in Philippsburg sich einen Sebastianer nennen dürfe.
»Was Rang und Namen hat und einige Lebensart«, sagte Dieckow. Relow schwächte ab und sagte, ein paar Stockfische seien natürlich nicht zu vermeiden gewesen, so gehöre neben dem prächtigen Donderer (ein Philippsburger Rennfahrer) leider auch ten Bergen zum Orden, der habe tatsächlich zwei gefunden, die für ihn stimmten. Das sei die Regel, zwei Gäste müßten einverstanden sein, wenn ein Neuer aufgenommen werden wolle. Mauthusius und die Dumont hätten für ten Bergen gestimmt, wisse der Teufel, warum. Na ja, ten Bergen,
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