Ehen in Philippsburg
den er für den humorlosesten Menschen der Welt halte, komme glücklicherweise selten und auch dann nur um der public relations willen. Ja, und dann gehörten Frantzke und der dicke Alwin dazu (Cordula hustete verächtlich, als sie Alwins Namen hörte, und Marga unterdrückte einen Lachanfall, wie es Backfische tun, wenn sie gar nicht lachen müssen, aber so tun wollen, als könnten sie sich vor Lachen nicht mehr halten), natürlich auch Büsgen, na ja, er werde hier noch manchen guten Mann treffen, leider aber auch ein paar, die nicht bloß aus lauteren Motiven ins Sebastian kämen.
Hans wagte nicht zu fragen, welche Motive man bei einem Gast des Nachtlokals Sebastian als lauter und welche man als unlauter zu bezeichnen habe. Er fürchtete, daß man die Empfindungen, die ihn plagten, wenn er die vielen Mädchen anschaute, die über die Bar hingen, vielleicht auch als unlauter brandmarken würde. Und wenn er gar Marga betrachtete, deren jetzt so schmales Gesicht immer in Gefahr war, von der fahlen Haarflut begraben zu werden, an was sollte er denn da, nach den Gesetzen dieses Hauses, denken! Aber offensichtlich war dies ein Nachtlokal mit hohem sittlichem Niveau, was ja schon der Name und die ganz aus sakralem Berichten stammende Dekoration vermuten ließ. Trotzdem saß hier, wie er im Lauf des Abends feststellte, kein Gast länger als fünf Minuten allein an einem Tisch. Kaum, daß einer Platz genommen hatte, schlüpfte eine hinter der Bar hervor, erkundigte sich nach seinen Wünschen, brachte ihm das Gewünschte und blieb dann bei ihm sitzen. Und aus den tuchverhangenen Logen schlug grelles Gelächter, wie es bei bloßer Konversation nur selten entsteht. Das Licht im Sebastian war übrigens so schwach gehalten, daß man die Gäste am Nebentisch schon nicht mehr erkennen konnte, wenn sie nicht von sich aus daran interessiert waren, gesehen zu werden und deshalb die auf jedem Tisch bereitstehende Kerze anzündeten, Marga hatte sich nach den Wünschen der Herren erkundigt. »Vorerst fleischlos und etwas Gutes zu trinken«, hatte Knut Relow geantwortet. Für sich bestellte er dann einen Lemon Flip. Und Hans? Auch Lemon Flip. Ihm fiel nichts anderes ein. Und weniger als das Miami-Getränk konnte ihm der ebenso unbekannte Lemon Flip auch nicht zusagen.
»Hast du immer noch Sorgen mit dem Totogewinner?« fragte Relow, nachdem Marga zur Bar hinaufgegangen war, um die Getränke zu holen. Hans hatte ihr nachgesehen, so gut es das Dunkel zuließ. »Ach weißt du«, sagte Cordula und ließ eine Hand in trauriger Gebärde am aufgestützten Arm hängen, »der richtet mich noch zugrunde.« Und dann erfuhr Hans Beumann, welche Gefahr zur Zeit das Nachtlokal Sebastian bedrohte. Ein Arbeiter von der städtischen Straßenreinigung hatte im Fußball-Toto eine Summe von mehr als sechshunderttausend Mark gewonnen! Sechshundertfünfundvierzigtausend Mark! Und dieser Kerl, dreiunddreißig Jahre alt, ungebildet und ohne Manieren, wenn auch von nicht unangenehmem Äußeren, der hatte von irgendwoher einen Schlüssel zum Sebastian bekommen. Woher, das hatte Cordula trotz allen Nachforschens noch nicht in Erfahrung bringen können. Mit diesem Schlüssel versehen, war er nun schon sechsmal ins Sebastian eingedrungen, hatte sich an den größten Tisch gesetzt, hatte alle Mädchen eingeladen, hatte sogar noch ein paar ganz üble Zechkumpane mitgebracht und hatte sich mit denen aufgeführt, daß die Stammgäste nach und nach unter Protest das Lokal verlassen hatten. Wenn eines der Mädchen seinen und seiner Kumpane Tisch habe verlassen wollen, sei es mit Gewalt festgehalten worden. Die Floor-Show, die jede Nacht von Mitternacht bis ein Uhr auf dem Milchglas-Parkett ablaufe, hätten die Burschen mit wüsten Rufen begleitet und hätten auch ganz ordinäre Worte nicht gescheut. Leider habe sie, Cordula, feststellen müssen, daß zwei der Mädchen, die fest mit seriösen Stammgästen liiert gewesen seien – und diese Stammgäste hätten die ganze Nacht auf die beiden gewartet –, daß diese zwei Mädchen es vorgezogen hätten, sich mit diesen Kerlen einzulassen; sogar auf die Straße seien sie ihnen gefolgt, freiwillig! Und weil dieser Totogewinner das Geld gar so locker sitzen habe und es in der lächerlichsten Weise verschwende, drängten sich immer mehr ihrer Mädchen um ihn, wenn er jetzt auftauche. Und so ordinär er und seine Genossen sich auch aufführten, er werfe eben mit dem Geld nur so um sich, und dann seien er und seine Genossen
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