Ehen in Philippsburg
mußten, Verlobung der VolkmannTochter mit dem jungen Journalisten, mit dem, na wie heißt er gleich, ist ja auch egal, aber die Party ist wichtig, Ilselein, daß du mich nicht warten läßt, ja, das half immer am besten, ihr kleine Vorwürfe machen, keine ernsten, keine bösen, nur kleine, schützende Vorwürfe! Eile, Aufregung und Vorwürfe klug durcheinandergemischt, wie hätte Ilse da noch fragen können, warum er nicht früher heimgekommen sei, gerade heute…
Als sie dann nebeneinander im Wagen saßen, von ihren feinen Kleidern wohl behütet, den Reifen nachhörend, die in regelmäßigen Abständen durch die Pfützen zischten, da summte Alwin eine Melodie und wiegte seine breite Brust zwischen den durch das Steuerrad fixierten Armen hin und her und dachte, daß er das Menschenmögliche getan habe, um Ilse vor allem Unschönen zu bewahren. Er durfte es sich hoch anrechnen, daß er Ilse nicht mit allem behelligte. Es gab Ehemänner in seinem Bekanntenkreis, die wußten nichts Besseres zu tun, als zu ihren Frauen heimzurennen, um loszuheulen und zu beichten und alles auf die armen Frauen abzuladen! Da war Herr Dr. Alwin schon ein anderer Kerl! Er sagte sich immer wieder: Alwin, das mußt du ganz allein tragen. Nicht einmal seinem engsten Freund, wenn er einen gehabt hätte, hätte er je etwas von Vera erzählt; von Vera nicht und nicht von denen, die er vor Vera gekannt hatte. Er hatte immer alles allein getragen. Ihm wäre es wahrhaftig auch manchmal leichter gefallen, wenn er sich hätte einem Freund an den Hals werfen können, um dem alles zu erzählen; um endlich auch einmal ein bißchen renommieren zu können, sich beneiden zu lassen, von Frantzke zum Beispiel, dem protzigen Fabrikanten, der keinen Hehl aus seinen Liebschaften machte, auch wenn er seine Frau dadurch bloßstellte. Und dem Dr. Benrath, dem hatte es jeder angesehen, daß in seiner Ehe nicht alles stimmte, was dann ja auch durch den Selbst mord der armen Frau hinlänglich bestätigt worden war. Wahrscheinlich hatte der auch nichts Besseres zu tun gewußt, als seine Frau in alles hineinzuziehen. Alwin aber schonte seine Frau. Er würde sie nie so bloßstellen und blamieren. Lieber ließ er sich als ein allzu braver Ehemann bespötteln, lieber duldete er es, daß sie ihm im Nachtlokal »Sebastian« über alle Tische hinweg zuriefen, ob ihn seine Frau eine halbe oder eine ganze Stunde beurlaubt habe. Diese aufgeblasenen Junggesellen, die dort allabendlich herumsaßen! Er ging bloß hin, weil einige einflußreiche Journalisten dort verkehrten, ein paar Politiker auch, und weil Cordula, die Besitzerin, eine charmante Frau war, rothaarig und gebildet; ihn schätzte sie besonders, das hatte sie ihm mindestens schon fünfzigmal über die Theke herüber zugeflüstert. Meistens setzte er sich nämlich an die Bar und wandte den Tischen den Rücken zu. Er haßte den Hochmut der Junggesellen, die auf alle Ehemänner wie auf Krüppel herabsahen und ihnen mit einem geringschätzigen Mitleid begegneten. Ihm trauten sie überhaupt nichts zu. Wahrscheinlich weil er dick war, weil er kein Sportsmann war, keine Schwimmlehrerfigur zur Schau trug, ja ja, wenn die wüßten, was der bemitleidete, der bespöttelte Ehesklave Alwin, der dicke Alwin, wie er auf der Universität genannt worden war, was der schon an Liebesleistungen hinter sich gebracht hatte! Aber er hatte sich alle Erzählungen, alle Mitteilungen versagt. Getreu seinem Grundsatz: was meine Frau nicht weiß, das geht auch keinen anderen etwas an.
Die Augen wurden ihm feucht, wenn er daran dachte, wie sehr er doch seiner Frau die Treue hielt, auf was er ihr zuliebe alles verzichtete. Seit Jahren saß er still am Tisch oder an der Bar und hörte zu, wenn die Junggesellen und bedenkenlosen Ehemänner von ihren Eroberungen wie von Heldentaten berichteten, und was hätte er da alles zu vermelden gehabt! Aber nein, er hatte geschwiegen, hatte höchstens da und dort einen Einwand gemacht, ein Detail hinzugefügt, eine kleine Korrektur angebracht, um den Herren Junggesellen und bedenkenlosen Ehemännern zu beweisen, daß auch ein schweigender Ehemann manchmal mitreden kann. Über Andeutungen war er allerdings nie hinausgegangen. So treu war er Ilse. Und um dieser Treue willen brachte er große Opfer. Was hatte er denn von seinen zahlreichen Abenteuern, wenn er keinem Menschen davon erzählen durfte?
Oft war es doch eine rechte Mühe, bei Frauen ein Held zu sein, und die wäre eigentlich erst belohnt
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