Eheroman (German Edition)
freundlich, wie auf Befehl. «Ich denke nichts», sagt Jensen, «ich habe vorhin schon aufgehört. Beim Kiffen kann ich nicht denken, weißt du?»
Florian richtet sich auf und greift nach einem Cordkissen, das er sich unter den Kopf schiebt. «Sonst auch nicht, oder?»
Jensen starrt ihn an. Seine Augen, wie die eines Kindes, das von den anderen Kindern mit Schnee beworfen wird und keine Hände hat, keine Arme, um es ihnen gleichzutun. Der breite Brustkorb eine breite Angriffsfläche für den Schnee, und es ist ja nichts weiter als Schnee und Kinder, die spielen. «Denkt ihr, ihr seid was Besseres?», stößt er matt hervor, wohl wissend, dass sie es denken. So denken sie, so sind sie, weiß Ava, und was sagt das aus? Das Gegenteil. Aber das ist zu verstiegen. Das verknotet sich alles, wenn man solche Gedanken tatsächlich verfolgt bis in die letzte Konsequenz des Marihuanarausches.
«Was machst du denn so, Jensen?», fragt John.
«Lkw fahren, einen Sattelzug für Heinrich und Jackson Logistik.»
«Macht das Spaß?»
Jensen nickt. «Ja. Mir ja. Ich bin zufrieden.»
«Das ist doch schön», sagt Florian, «manche Leute sind mit Lkw-Fahren zufrieden. Immer schön on the road, und, Jensen, hast du Nackies vorne am Armaturenbrett kleben?»
«Nackies? Nackte Weiber, meinst du? Nee, wieso?»
«Damit das Fahren noch mehr Spaß macht, Jensen.»
«Willst du mich verarschen, eh?»
«Nein», sagt Danilo. «Das würde doch keiner hier wollen. Wir sind peace hier, wir sind bekifft und nicht aggressiv drauf.»
Ava starrt Danilo an, und ihr dämmert jetzt langsam, wohin die Party ihren Lauf nimmt und wer das Schaf ist, das zur Feier des Tages geschlachtet werden soll, im Rausch der Freude und des jugendlichen Übermutes, des kindlichen Übermutes, sollte man sagen, des gnadenlosen kindlichen Übermutes.
«Der Straßenverkehr würde mehr Freude bringen, wenn nicht die Radfahrer wären», sagt Jensen und zieht die Schultern wieder hoch und an den Körper heran, was begrenzt geht, wenn man Oberarme wie Keulen hat. Wo hat er die her? Vom Lkw-Fahren? Kriegt man da Muskeln? Oder ist Jensen einfach so schön gewachsen? Wenn er aufstehen und zuhauen würde, dann würde hier kein Gras mehr wachsen, geht Ava auf, aber das ist nicht Jensens Sache. Das fällt dem gar nicht ein.
«So?», meint John und dreht den nächsten Joint.
«Die Radfahrer generell sind im Verkehr unerfahren und halten sich nicht an die Verkehrsregeln. Dabei stellen sie die größte Gefahr dar», sagt Jensen, anscheinend zufrieden ob seiner anspruchsvollen Satzbildung, und nickt bestätigend vor sich hin. «Ich hätte schon öfter mal einen fast erwischt, wenn ich nicht scharf gebremst hätte, und brems mal scharf mit so ner Maschine, und dann sind die Tomaten hinten im Eimer, dann kannst du sehen, wie du da beim Kunden mit ankommst, gebremst wegen Radfahrer, das interessiert keine Sau, da bist du dann schön gearscht, aber noch mehr wärst du gearscht, wenn der Radfahrer – bums! – tot wäre, dann wär deine Karriere vorbei, aus die Maus.»
John kratzt sich nachdenklich am Kopf. «Karriere, Jensen? Meinst Du die Lkw-Fahrkarriere? Darum tut es dir leid, wenn du ein menschliches Wesen, einen Radfahrer, auf dem Gewissen hast, mit deiner Monsterfickmaschine?»
«Was?», fragt Jensen. «Was? Was willst du denn? Ich hab doch gesagt, ich habe keinen umgefahren!»
«Da tut es dir um die Tomaten leid, um die Scheißtomaten?»
Ava sagt: «Schluss! Aus jetzt! Das ist meine Wohnung, das sind meine Gäste hier, ich will jetzt nicht mehr!»
«Es tut mir auch um Menschen leid, aber …», versucht es Jensen weiter.
«Echt, so mitfühlend bist du, so mitfühlend, dass dir auch Menschen leidtun, neben den Tomaten?» John streckt sich aus, in seiner schwarzen Hose, schwarzes T-Shirt, alles schwarz, und das soll was aussagen, wie Jensens Rasierklinge, dass Rasierklingen so sehr viel friedvoller sein können, dass Muskeln friedvoller sein können als schwarze Klamotten, wieder dreht es sich in Ava um und um und wird immer unklarer.
«Er ist dumm, lass gut sein», sagt Danilo achselzuckend.
«Was?», sagt Ava und richtet sich auf. «Was hast du gesagt, Danilo?»
Danilo liegt heftig bekifft auf dem Teppich und lächelt und wiederholt langsam und deutlich: «Ich sagte, Ava, er ist dumm. Es hat keinen Sinn, mit ihm zu reden.»
Beate steht auf. «Ava, wir gehen raus, bisschen um die Häuser ziehen, kommst du mit?»
«Geh mit den Dummen», sagt Danilo, «das passt
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