Eheroman (German Edition)
besser.»
Ava sieht ihn durch den Nebel, der im Raum steht, sie ist bis gerade eben noch weich und kicherig gewesen, das lässt sich auch nicht so schnell abstreifen, aber gleichzeitig steht sie da und denkt, dass nichts, was jetzt gesagt werden könnte, dem, wie es sich anfühlt, angemessen wäre. Sie bemüht sich, sie wühlt in ihren Gedanken nach den kalten, scharfen, die eine Waffe wären, sie überlegt und steht da im Raum, und Danilo liegt immer noch auf der Erde zwischen den anderen, die genau so sind wie er und überhaupt nur wegen ihm so sind, weil alle wegen ihm irgendwie so sind, er färbt auf andere ab. Er liegt zwischen den Kissen und lächelt, und es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, dass er das gesagt hat, was er gesagt hat und auch so gemeint hat. Er hat es wirklich so gemeint. Ava steht in ihrem eigenen Zimmer, in ihrer eigenen Wohnung, die sie von ihrer Arbeit im Krankenhaus bezahlt, und sagt kein einziges Wort mehr zu Danilo. Sie ist nicht da, wo Danilo ist, sie ist hier bei Beate und Jensen, sei er, wie er sei, sei Jensen, wie er sei, mit seiner Rasierklinge und seiner Grammatik und allem, aber das …
Sie schließt hinter Beate und Jensen die Tür und sagt zu ihnen: «Es tut mir so leid.»
«Idioten», sagt Jensen, liebevoll fast, und zuckt mit den Schultern.
Ava sagt eine Weile nichts und geht nur stumm. Ava ist vollkommen ratlos. Sie sagt: «Jensen, es tut mir so leid.»
«Nun reg dich mal nicht auf!», sagt Beate. «Es ist ja nicht direkt was Schlimmes gesagt worden.»
«Nichts Schlimmes?»
«Na, was denn, dass wir dumm sind – und? Es stimmt doch, wie die reden können, die ganzen Wörter, die Danilo gesagt hat, ich weiß gar nicht, was das heißt, dagegen sind wir dumm, ist uns doch egal, Ava.»
«Mir nicht. Es war Danilo. Er hat das bei mir, in meiner eigenen Wohnung, zu Jensen gesagt, und zu dir, Beate. Beate, ich denke gerade, es ist vielleicht ein Fehler mit ihm.»
«Ach», Beate winkt ab, «mach dir mal nicht solche Gedanken, du nimmst das zu wichtig.»
«Beate, er kann die Wörter nur, weil er sie auswendig lernt, er hat ein Fremdwörterlexikon, daraus lernt er solche Wörter, damit er dann so sein kann, Beate, ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.»
Jensen sagt: «Amen.»
Am Stint hängen zwischen einer Menge bunter Fahrräder, die meisten am Geländer der Ilmenaubrücke angeschlossen, noch mehr Leute herum, es ist laut, und das alte, von Taubendreck gesprenkelte Pflaster strahlt die gespeicherte Tageswärme in den Abend. Beate mag das nicht, das Draußensitzen, am Stintmarkt, wie es alle tun, und auf die nassen, schwarzen Steine und die grünen Algenfäden im mickrig flachen braunen Wasser der Ilmenau starren, mit dem schwarzen Holzkran als touristischer Hauptattraktion. Beate mag es nicht, sie sagt immer: «Ich geh inne Kneipe rein, wenn ich inne Kneipe gehe. Die sitzen hier nur, weil alle hier sitzen. Ich geh rein.» Sie verachtet das Draußensitzen als intellektuelle Extravaganz, und da ist sie wieder, denkt Ava, die Wand, zwischen jenen und ihnen, dabei würde auch sie gerne in der Wärme des Abends zwischen Taubenkot und bettelnden Hunden sitzen und die faule Feuchtigkeit der nassen Steine und den Duft des frühsommerlichen Abends einsaugen. Stattdessen Qualm und Bier im dunkelschattigen Inneren und gleich richtig Kneipe.
Beate strahlt. Hier im Pons ist es richtig Kneipe und nicht Frühsommer und Kirschblüte. Keine Jahreszeiten in der Kneipe. Nirvana aus dem Kassettenrekorder. Die Bedienung trägt ein dreifaches Nasenpiercing, studiert aber sicher auch an der Universität Lüneburg Psychologie und Soziologie, das kann man an ihrem T-Shirt, ihrer Zimmermannshose und der Art, wie sie vereinzelt Leute begrüßt und nach dem Stand der Dinge fragt, sofort erahnen. Es gibt Kakao und Schnaps, alles hier, für alle. Beate sieht sich nach dem Platz um, der in der Ecke liegt, und Jensen eilt auf einen Tisch in der Mitte zu.
«Stulle», brüllt Jensen und haut einem Mann auf die Schulter, dass der fast das Bier erbricht, und sie setzen sich schließlich alle zu dem Mann dazu. Stulle ist der fast hübscheste Mann, den Ava jemals gesehen hat, jedenfalls kommt es ihr gerade, nach dem ganzen Elend und dem Entsetzen und mit dem Kiff in sich drin, so vor. Stulle arbeitet auch für Heinrich und Jackson Logistik, erklärt Jensen. Aber er sieht gar nicht so aus. Er hat ein zartes Gesicht wie ein Prinz und trägt einen dünnen schwarzen Pullover mit rot abgesetztem
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