Eheroman (German Edition)
Draußen isses schön.»
«Fährst du auch aus Deutschland raus?», fragt Ava.
«Klar. Spanien, Griechenland, Griechenland ist jetzt gerade bisschen schwierig wegen der Jugos und dem Krieg und so, aber Frankreich auch und Spanien letztens. Spanien war sehr schön. War sehr schöne Landschaft da, nach der Autobahn später.»
Beate zündet sich eine Zigarette an. «Was is, Avi, kommst du gleich noch mit raus, bisschen Bier trinken draußen und Leute gucken?»
Ava zuckt mit den Schultern. Danilo hätte schon zurück sein sollen. Sie wollte den Samstagabend mit ihm verbringen, wenn die Schicht es schon mal zulässt. Danilo ist viel unterwegs, seit er in Lüneburg auf das Johanneum geht. Er wollte unbedingt hierher, auf diese Schule, in die Stadt zu ihr, und bei ihr, mit ihr wohnen, als wäre er erwachsen. Seine Mutter hat es rasch erlaubt, sie erlaubt ihm fast alles, schon immer, weil er ihr Einziger und Einziges ist und weil er so ist, dass alle machen, was er sagt, er hat so eine Art, die sich so lange um die Leute und ihre Gedanken und Argumente herumwindet, ohne direkt etwas zu fordern, bis die Leute, wie seine Mutter, wie sie und seine Freunde, sich einfach ergeben und das Gefühl behalten, in die Falle getappt zu sein. Sie haben ihn hier bei ihr angemeldet, er konnte die Schule wechseln und auf das Johanneum, in dessen Nähe sie wohnen. Sie hat es auch gewollt, unbedingt gewollt, denn sie konnte das Leben, so erschien es ihr, ohne Danilo nicht mehr aushalten. Als sie ihn einmal hatte, als sie einmal kennengelernt hatte, wie es sein konnte, so mit jemandem zu sein, so eng, so schmerzhaft, da konnte sie nicht mehr auf ihn verzichten. Und sie wollte, was er wollte, oder jedenfalls war es ihr so vorgekommen. Danilos Gedanken und Wünsche durchdringen oft ihre und nehmen Raum in ihnen ein, bis Ava nicht mehr genau weiß, was sie ursprünglich selbst gewollt hat. Aber es war ihr egal. Hauptsache, sie konnte sich glücklich fühlen und frei, auf eine erwachsene und dennoch etwas unverantwortliche Art.
Jetzt ist Danilo viel mit seinen Freunden unterwegs, und sie reden und denken und reden, und sie selbst weiß manchmal gar nicht mehr, wo sie da eigentlich noch reinpassen soll, in sein Denken und sein Leben.
Im Flur klappt es, Danilo kommt mit seinen Freunden, sie lachen. So viel dazu, dass sie den Abend mit ihm hätte allein verbringen wollen. Rumliegen, ausziehen, trinken oder rausgehen, trinken und später ausziehen.
Florian und John treten mit Danilo ins Zimmer. John kichert beim Reinkommen. Seine Schulsachen trägt er in einem fleckigen Einkaufsbeutel mit sich rum.
«Avi, Flo und Johnny sind noch kurz mit», sagt Danilo und küsst Ava flüchtig auf das Haar. Er riecht nach Kiffen.
«Ja, ich seh’s», sagt sie, und weil es ihr dann unfreundlich vorkommt, fügt sie «Hallo, na» an Florian und John gewandt hinzu.
Jensen zieht die Arme an den Körper heran und hebt die Schultern und senkt sie wieder und schlägt die Beine übereinander. Er hat eine eigenwillige Körpersprache, denkt Ava, da kommt man schwer hinterher – wie soll man solche Bewegungen deuten?
«Ich bin der Jensen, ja?», sagt Jensen, als gäbe es da noch etwas nachzufragen, eine Bestätigung zu erhalten, für die Nennung des eigenen Namens, der eigenen Person, die sich seiner selbst vergewissert.
Florian, John und Danilo sehen ihn an.
«Ja?», wiederholt John und kichert wieder.
«Ja, und das sind Florian und John, und das ist mein Freund, Danilo», sagt Ava schnell, bevor es unangenehm wird.
Danilo holt lange Blättchen aus der obersten, klemmenden Nachtschränkchenschublade, wo auch die Kondome und das Deo und sein aktuelles politisches Buch drin verstaut sind, er hat so seine eigene Ordnung, und John legt ein Tütchen mit Gras auf den Tisch.
«Hast du Gras, hast du Spaß», sagt John.
«Du musst dieses Wochenende noch einen langen, sehr langen Text schreiben, denk dran, Johnny, du könntest mir echt leidtun, aber du hättest auch schon mal anfangen können, du fauler Sack.»
«Jasicher. Deshalb bin ich auch hier, unter Freeeuuunden. Es geht um Surrealismus, um Suuuuurrrealismus! Da muss man kiffen, klar? Das kann dir Breton, wie der heißt, sagen.»
«Wenn er noch leben würde, Mann. Das weißt du noch nicht mal. Du wirst es nicht schaffen, wenn du jetzt schon mit Kiffen anfängst, dann wirst du morgen so weitermachen, und dann schaffst du nichts», sagt Danilo und freut sich sehr darüber, dass John seine Hausarbeit nicht schaffen
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