Eheroman (German Edition)
Ausschnitt.
«Was machst du denn hier, alleine rumsitzen und Frauen gucken?», fragt Jensen.
Stulle nickt. «Ich war sentimental», sagt er. «Ich wollte echte Menschen sehen, und nicht auf der Scheibe.»
Jensen nickt heftig und wie positiv bestärkend auf ihn ein. «Wie läuft es sonst? Mit Jenny läuft alles rund?»
«Mit Jenny läuft es weder rund noch sonstwie. Sie ist weg. Sie ist Studieren nach Berlin. Ich hab mit ihr Schluss gemacht.»
«Wieso das denn, Mann, Stulle?»
Stulle schweigt eine Weile. Dann nimmt er einen tiefen Schluck von seinem Beck’s und zündet sich eine Zigarette an. «Es ist besser so», sagt er und atmet Zigarette ein.
«Ich dachte, es ist große Liebe, rotglühend», sagt Jensen.
Beate mischt sich ein. «Lass ihn doch in Ruhe, du bist sensibel wie ein Schwein.»
Jensen gibt Beate einen Kuss auf die Wange. «Was soll ich lügen? Ich dachte, es ist so, große Liebe, und dann frag ich nach. Ist doch normal. Hier, Stulle.» Er kriecht näher an ihn heran und weist mit seinem nach außen gebogenem Daumen auf Ava. «Sie will auch ihren Liebsten verlassen. Seit heute.» Er freut sich breit lächelnd, wahrscheinlich über die seiner Meinung nach so günstig zusammentreffende Gemeinsamkeit in Avas und Stulles Leben.
«Du spinnst dir was zusammen, Jensen», sagt Beate, «das stimmt doch gar nicht.»
«Doch, es stimmt», sagt Ava, obwohl sie gar nicht an so was gedacht hat und in sich drin nicht die Absicht hatte. «Ich trenne mich von Danilo. Ich habe mich schon fast getrennt, er weiß es nur nicht.»
«Wenn er es nicht weiß, dann ist es kein Trennen. Das ist nur, wenn es jeder weiß», sagt Stulle.
«Ich kann mich auch alleine trennen, ohne Danilo. Es ist ja meine Entscheidung, auch ohne Sagen ist es meine Entscheidung.»
«Deine Entscheidung vielleicht, aber das, was eine Beziehung ist, das besteht aus zwei Leuten. Und wenn einer nicht weiß, dass die Beziehung zu Ende ist, dann ist sie es auch nicht. Weil, er hängt ja noch dran, an einem Ende.»
«Wegen mir kann er dranhängen, wie er will, so doll hängt er auch nicht dran», sagt Ava und lügt.
«Ach, klar», sagt Stulle und trinkt, «ist doch nur wegen Streit, hat doch nichts zu sagen, Streit hat gar nichts zu sagen dabei.»
Die besserwisserische Art von Stulle und wie er so tut, als ob er in dieser Sache so viel mehr Lebenserfahrung hätte, das geht Ava echt auf die Nerven, denkt sie.
«Du hast gar keine Ahnung, du weißt doch gar nichts.»
«Reg dich nicht auf. Wird doch alles gut», sagt Stulle und sieht in Avas Gesicht.
«Ja, klar, wenn du es sagst.» Ava stützt ihren Kopf auf die Hände und wischt sich ihre müden Augen aus. «Und mit dir? Und mit deiner Freundin? Da wird auch alles gut?»
«Es ist ja gut.»
«Es ist gut? Dass sie weg ist und du mit ihr Schluss gemacht hast und es gar nicht wolltest – das ist gut?»
«Wer sagt das denn? Ich wollte es ja.»
«Ja, dann. Du meinst doch sicher, du bist zu dumm für sie, weil sie studiert.»
Stulle lacht und trinkt Bier und lacht noch mehr. «Wie kommst du auf solchen Dünnschiss?»
Ava zuckt mit den Schultern. «Es ist schwierig, aber für manche Menschen auch nicht, oder? Ich weiß es nicht, Mann.»
Beate kommt mit Schnäpsen von der Theke. «Lasst uns anstoßen, auf Gott.»
«Beate, wie kommst du auf so etwas?», fragt Ava.
«Gott sei Dank gibt es Schnaps», sagt Beate und hebt ihr Glas.
«Gott ist eine feste Größe in meinem Leben», fügt Jensen hinzu. «Er sitzt auf meiner Stoßstange.»
«Nein», sagt Stulle, «das ist, weil du vernünftig fährst, du säufst nicht und hältst die Zeiten ein, du passt auf, und deshalb sitzt Gott auf deiner Stoßstange.»
«Wie auch immer, auf Gott, überall, wo er nützlich ist.»
«Auf Gott», schreien sie und trinken und trinken mehr auf Gott, als gut ist.
Die Kneipe ist voll und laut, und die hineingepressten Leute verteilen Geruch und Gefühle um sich. Ava dreht sich einmal um sich selbst herum und fühlt sich leicht beengt von so viel Menschlichkeit und dem Spaß und der Wut, die leicht am Überkippen ist. Aber sie trinken und reden, und Stulle sagt nicht seinen richtigen Namen, vielleicht ist es sein richtiger Name. Ava trinkt mehr Schnaps, als sie sonst trinken würde, sie ist keine Trinkerin sonst. Aber es schmeckt ihr phantastisch. Die Dinge kommen ihr einschneidend vor. Die Umrisse der Stühle und Tische im Raum, die Silhouetten der Menschen, die Fenster nach draußen, die Lampen an ihren geschmiedeten
Weitere Kostenlose Bücher