Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
schlenderte er wieder nach hinten.
Wolfram marschierte erbost zur Tür. Er brummte leise Verfluchungen vor sich hin.
Die Bademagd huschte an ihnen vorbei zur Tür und öffnete. Gerade als Agnes durch die Tür gehen wollte, hielt Uta sie am Ärmel fest und legte den Zeigefinger über ihre Lippen. Die Scholasterin blieb überrascht stehen. Sie schaute sich schnell um, aber Tobias Dullen war zum Glück nicht mehr zu sehen. Doch ehe sie eine Frage stellen konnte, wurde ihr ein kleiner Pergamentzettel in die Hand gedrückt. Und schon schloss sich die Tür des Badehauses hinter ihr.
Der Hauptmann bemerkte erst nach einigen Schritten, dass Agnes nicht mehr hinter ihm war. Verwundert blieb er stehen und sah sich um. Sie stand noch vor dem Badehaus und betrachtete irgendetwas in der Hand.
»Was ist los?«, rief er ihr zu.
Schnellen Schrittes kam sie näher und reichte ihm den Zettel, auf dem mit Holzkohle drei Worte gekritzelt waren. Er drehte ihn unentschlossen in der Hand hin und her.
»Und was soll ich damit?«
»Das hat mir die Frau aus dem Badehaus gegeben. Ich versteh das nicht ganz. Kannst du damit etwas anfangen?«
Wolfram schaute sich verlegen um. »Was da steht, musst du mir schon sagen.«
Agnes zog verblüfft die Augenbrauen hoch. Doch dann fiel es ihr wieder ein. »Warum hast du nie lesen gelernt?«
»Ich habe früh arbeiten müssen. Für so was hatte ich nie Zeit.«
Agnes schüttelte missbilligend den Kopf. Als Hauptmann sollte er wenigstens etwas lesen und schreiben können. Aber sie ging immer wieder von falschen Voraussetzungen aus. Nicht jede Familie konnte sich eine Schule leisten und das Glück haben, ihr Kind in einem Stift unterbringen zu können.
»Hier steht:
Ingrid
und
hinter Bierfass
. Wer ist Ingrid? Und was bedeutet dieses
hinter Bierfass
?«
»Zum Großen Bierfass
. Das ist eine zwielichtige Schänke in der Fischerstadt mit billigen Frauen. Dahinter gibt’s ein Haus, in dem die Weiber hausen.«
»Ich vermute mal, wir sollen also mit einer Ingrid sprechen, die dort wohnt. Du kennst die Schänke?«
Wolfram räusperte sich. »Nun … ja … Als Stadtwache müssen wir doch wissen, wo es Ärger geben könnte.«
Sie nickte. »Was meinte der Tobias Dullen eigentlich mit der Bemerkung, dass du wüsstest, dass ein abgespannter Mann manchmal Ablenkung braucht?«
»Nicht so wichtig. Wir müssen weiter.« Damit wollte er weitergehen, aber Agnes hielt ihn fest.
»Wolfram, das hatten wir doch schon gestern. Einem Freund kann man vertrauen.«
Er strich sich durch den Bart und schaute gedankenverloren die Straße entlang. Seine Stiefelspitze trommelte nervös auf den Boden. Agnes wartete geduldig und blickte erwartungsvoll zu ihm hoch.
Schließlich begann er: »Vor einiger Zeit bin ich aufs Tiefste enttäuscht worden. Da war ich mal da bei Dullen. Aber es hat mir nicht gefallen.«
»Ich dachte, du bist nicht verheiratet?«
Wolfram zögerte und spielte verlegen am Griff seines Schwertes. »Das kann man nicht so sagen. Ich habe viel zu jung geheiratet. Aber sie war nichts wert. Eine Schlampe, eine Dirne. Sie hat mich vor Langem verlassen. Ich habe mich nach Liebe gesehnt und bin ins Badehaus gegangen. Aber das war nicht echt. Es war eine Sünde. Und jetzt darf ich erst wieder heiraten, wenn ich höre, dass meine Frau tot ist. Vielleicht ist sie ja schon abgekratzt. Wer weiß das schon? Vielleicht werde ich nie wieder in Glück mit einer Frau leben können.«
So ein Geständnis hätte Agnes niemals von diesem großen und starken Mann erwartet. Sie sah ihm an, wie schwer es ihm gefallen sein musste, das zu sagen. Diese Offenheit beeindruckte sie. Sie verspürte den dringenden Wunsch, ihm zu helfen. »Ich rede mit dem Bischof«, schlug sie vor. »Gleich heute Mittag. Er weiß bestimmt einen Ausweg.«
»Nein, bitte nicht. Versprich mir, dass du nie darüber reden wirst. Ich muss das selber tun. Das ist meine eigene Last. Wenn ich die richtige Frau gefunden habe, werde ich mich an den Bischof wenden.«
Agnes nickte. »Gut. Tu das.«
Beim Lagerverwalter
Ludolf musste den Lagerverwalter nicht lange suchen. Er fand ihn beim Tor des großen Speicherturms. Bernhardt lud zusammen mit zwei anderen Arbeitern einen Karren ab. Die drei Männer ächzten beim Herunterwuchten der Fässer. Ludolf wartete im Schatten des Hauses, bis die schwere Arbeit erledigt war. Er wollte nicht mehr als nötig stören, besonders nicht, wenn derjenige ihm bisher so gute Dienste wie Bernhardt geleistet hatte.
Als die
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