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Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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Schänke und einem anderen Haus. Sie kamen in einen Hinterhof, dessen unangenehmer Gestank nach Abort und Verwesung einem den Atem raubte. Mehrere Abfallhaufen gruppierten sich an den Häuserwänden, daneben lagen einige leere Fässer. Agnes wollte lieber nicht wissen, was sich hinter den kleinen Büschen sonst noch versteckte. Einige Bewohner schienen sich wohl öfter dahinter zu hocken.
    Kaum war Wolfram im Hof erschienen, wurde er schon mit einem heiseren Hallo begrüßt. An der Rückwand der Schänke, gleich neben einer offenstehenden Tür, saßen drei Frauen auf Kisten zusammen. Ihr Alter konnte man kaum schätzen – jedenfalls hatten sie ihre Jugend schon längst hinter sich gelassen. Sie machten einen verwahrlosten Eindruck, waren dreckig und trugen abgerissene Kleidung.
    »Hey, Hauptmann, ’ne neue Flamme?«
    Wolfram von Lübbecke schnauzte sie an, dass sie ihn gefälligst in Ruhe lassen sollten.
    Eine Dirne mit einem blauen Auge, das sich grünlich und gelblich zu verfärben begonnen hatte, kam lässig auf ihn zu und öffnete ihr Kleid. »Na, wie wär’s, Großer?«
    Agnes schaute verschämt zur Seite. Sie fühlte sich hier völlig fehl am Platze. So behütet, wie sie aufgewachsen war, kannte sie seit Jahren nur die dicken, sicheren Mauern des Klosters in Möllenbeck. Im Grunde waren die Stiftsdamen keine Nonnen, sondern meist kinderlose Witwen oder Frauen, für die sich kein passender Heiratskandidat gefunden hatte. Und auch wenn einige der Damen wussten, wie sie sich die Ablenkung beschaffen konnten, die ihnen mangels Heirat entging – es ging doch alles viel diskreter zu als hier.
    »Heute nur mit einer? Dabei kannst du doch uns alle haben.« Die drei lachten anstößig.
    Der Hauptmann wirbelte herum und hob seine Hand, um der Frau ein zweites Veilchen zu verpassen. Aber im letzten Augenblick hielt er inne und blickte hastig zu Agnes hinüber.
    Die Prostituierte war bei Wolframs Handbewegung nur kurz zusammengezuckt. Ihre Stimme hatte nun jeglichen verführerischen Ton verloren. Verächtlich kam es jetzt: »Tu’s doch, du Schwein! Sonst haste dich auch nich zurückgehalten!«
    Wolfram bemerkte Agnes’ Verwunderung und zog es vor, darauf nicht zu antworten. Stattdessen fragte er: »Wir suchen eine Ingrid. Wohnt die hier?«
    Die Dirne drehte sich wieder um und schlenderte lässig zu ihren beiden Kolleginnen zurück. »Du kannst mich mal.«
    Wütend marschierte der Hauptmann auf das Haus zu, in dem die Frauen zusammen mit anderen Schicksalsgefährtinnen wohnen mussten. Grimmig stieß er mit dem Fuß die Tür auf. Agnes blieb ihm auf den Fersen. Allein hätte sie diesen Ort niemals besucht. Dieses Elend, dieser Dreck und diese Verkommenheit machten ihr Angst. Als Nonne hätte sie sich natürlich in erster Linie Gedanken darüber machen sollen, wie man diesen bemitleidenswerten Frauen helfen und sie aus ihrem Elend befreien konnte, doch saßen ihr Schreck und Ekel zu tief in den Gliedern.
    Im Haus lag eine Frau am Fuß der Treppe und summte leise vor sich hin. Ihren glasigen Augen und ihren unbeholfenen Bewegungen nach zu urteilen war sie sturzbetrunken.
    Wolfram sprach sie an: »Wohnt hier eine Ingrid?«
    Die Frau glotzte zu ihm hoch und nickte.
    »Wo?«
    »Swei Treppen hoch. Tür linksch. Da isse.«
    Er wollte an ihr vorbeigehen, aber die Frau hielt ihn am Stiefel zurück. »Nimm doch mich! Nur swei Fennich.«
    »Lass mich in Ruhe, du versoffenes Luder.« Er schüttelte die Hand ab und stieg die Treppe hoch.
    »Für dich nur ein Fennich. Ich brauch das Geld. Sonst kriech ich wieder Ärger. Bitte.« Sie fing an zu weinen.
    Agnes griff in ihre Tasche und drückte der Frau wortlos zwei Pfennige in die Hand. Diese war völlig überrascht, dass ihr jemand Geld ohne jegliche Gegenleistung gab. Ein kaum hörbarer Dank kam über ihre Lippen.
    Inzwischen war Wolfram von Lübbecke schon oben und klopfte an die Tür. Agnes hastete die Treppe hoch. Als sie außer Atem angekommen war, klopfte Wolfram nochmals, diesmal fester. Aber nichts rührte sich. So drückte er einfach die riegellose Tür auf.
    In dem kleinen Zimmer lagen eine Frau und zwei kleine Kinder auf ein paar alten Säcken, die wohl ihre Schlafstätte waren. Sonst gab es hier nur zwei kleine Kisten, die als Sitzgelegenheit dienten. Das Fenster war mit einem alten Tuch zugehängt und erhellte den Raum nur notdürftig.
    Die schlanke, großgewachsene Frau, die Agnes auf Mitte zwanzig schätzte, sprang erschrocken auf, als der Wachsoldat polternd

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