Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
natürlich.«
»Und wem, wenn etwas abgezweigt wird?«
Rehkopfs Verzweiflung schlug in Empörung um: »Das ist eine Verleumdung! Dann soll das doch kontrolliert werden! Ich sage jetzt nichts mehr. Ich werde mit der Herrin über Eure ungeheuerlichen Anschuldigungen reden. Ihr werdet schon sehn, was Ihr davon habt.«
Ludolf ärgerte sich. Der Bursche ließ sich doch nicht so leicht in die Enge treiben, wie er gehofft hatte. Aber er musste ihm deutlich zeigen, dass sie ihm ganz dicht auf den Fersen waren.
»Wir wissen inzwischen, dass Ihr den Wert des Geschäfts viel zu niedrig angegeben habt. Warum?«
Rehkopf gestikulierte wild mit den Armen herum. »Wer sollte das wissen, wenn … wenn nicht ich? Wer etwas anderes behauptet, ist nur neidisch auf meinen Posten hier.«
»Für wen macht Ihr das hier preiswerter?«
Abwehrend hob der Kontorsgehilfe die Hände. Er blieb vor Agnes stehen und sagte zu ihr: »Unverschämtheit! Ich bin kein Betrüger! Ich war dem Händler immer treu ergeben.«
Anstatt nachzugeben blieb die junge Frau hartnäckig: »Warum so niedrig?«
Verzweifelt fuhr sich Rehkopf wieder durch die Haare. »Siebenhundert Gulden ist der richtige und angemessene Wert. Und ich werd jetzt nichts mehr sagen.«
»Ihr wisst, dass wir Euch von der Stadtwache abholen lassen können?«
Ärgerlich höhnte er: »Dann versucht es doch!« Er wurde immer lauter. »Ich gehe zur Herrin! Da könnt Ihr Eure Anschuldigungen wiederholen!«
Ulrich Rehkopf drehte sich um und stürmte durch eine Tür im hinteren Teil des Kontors davon.
»Na gut! Wie du willst.« Agnes wollte hinterhereilen, aber Ludolf hielt sie am Handgelenk fest. »Warte bitte. Das bringt nichts. Wir müssen erst wissen, wer dahintersteckt.«
Agnes war in Rage. Sie wollte unbedingt ein Ergebnis erzwingen. Die arrogante Witwe musste zur Rede gestellt werden! Erbost schüttelte sie seine Hand ab. »Lass mich! Ich kann selber für mich entscheiden!«
»Das weiß ich.«
Ihre wütenden Augen schossen tödliche Blicke auf ihn ab. Was erlaubte sich der Nichtsnutz? Sie einfach zu maßregeln! Wieder einmal! Er war doch nicht ihr Vater! Aber andererseits – für heute hatte sie schon genug Ärger gehabt. Da wollte sie nicht auch noch mit der aufgebrachten Witwe zusammenstoßen. Langsam beruhigte sich Agnes wieder. Sie atmete tief durch und ordnete ihr verrutschtes Kopftuch. Schließlich wandte sie sich ab und ging in Richtung der Tür.
Verdrießlich murmelte sie vor sich hin. »Was hat der Rehkopf vor? Rechnete er mit einem Kind von Bode? Oder ist seine Schwester schon schwanger? Was hat er davon, dass der Wert so niedrig ist? Will er das Geschäft selber übernehmen?«
Ludolf folgte ihr wortlos nach draußen. Dem hatte er nichts mehr hinzuzufügen.
Hiltrud Rehkopf
Und hier wohnen die?«
Ludolf beteuerte: »Thomsen meinte, es sei das schäbigste Haus in der Hahlerstraße, gegenüber dem Fassmacher.«
Agnes nickte zustimmend. »Wirklich das schäbigste Haus.
Durch große Faulheit senkt sich das Gebälk, und durch das Hängenlassen der Hände wird das Haus undicht. 16 «
»Genau. Oder wie es auch heißt:
Ich ging am Feld des Faulen und am Weingarten vorüber. Er brachte überall Unkraut hervor. Nesseln bedeckten seine ganze Oberfläche, und seine Steinmauer war niedergerissen. 17 «
Ludolf und Agnes lachten leise vor sich hin. Hoffentlich merkte das drinnen niemand. Das Haus war wirklich uralt und schäbig, einige Fensterläden fehlten, andere hingen schief in den Haken. Das Fachwerk war an verschiedenen Stellen morsch, und ein paar Balken waren schon fast weggefault. Der Lehm bröckelte, sodass das Stroh teilweise bloßlag. Um dieses Haus hatte sich schon lange keiner mehr gekümmert.
»Das sieht ja fast schlimmer aus als die Bruchbude, in der wir zwei letztes Jahr hausen mussten«, erinnerte sich Ludolf schmunzelnd.
»Wir haben es überlebt.« Agnes blinzelte wehmütig zu ihm hinüber. Damals, bei ihrer ersten gemeinsamen Mission, mussten sie sich eine abbruchreife Hütte teilen. Dort, in dieser schäbigen Hütte, war langsam aus Abneigung Liebe geworden. Dass sie seinen Antrag ablehnen musste, hatte ihr genauso wehgetan wie ihm.
Ludolf klopfte an die Tür. Diese klapperte gefährlich in den rostigen Scharnieren. Wenn jemand fester zuschlug, fiele sie bestimmt heraus. Damit hielt man keine Diebe fern. Aber wer vermutete in dieser Ruine auch schon Reichtümer?
Es rührte sich nichts. Er klopfte abermals. Schließlich ging Agnes zu einem Fenster und
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