Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
beschuldigt also meine Mutter?« Ihre Stimme hatte noch an Schärfe gewonnen.
»Hatte Eure Mutter denn einen Grund?«
»Keinen«, zischte sie. Dabei knirschten ihre Zähne hörbar.
»Was ist mit dem Gerücht, dass Euer Vater ein uneheliches Kind von der Magd haben soll?«
»Nichts als Verleumdung.«
»Aber wie wir hörten, haben sich Eure Eltern deswegen gestritten.«
Brigitta öffnete den Mund, um eine passende Antwort zu geben, doch dann hielt sie inne. Sie schaute nachdenklich zur Seite und sagte nichts. Für Ludolf und Agnes war ihr Gesichtsausdruck wegen des Schleiers kaum zu erkennen.
Nach einigen Augenblicken fragte Agnes: »Gab es einen Anlass zum Streit?«
Die Händlerstochter suchte nach den richtigen Worten. »Für meine Mutter war jede Frau, die mit meinem Vater sprach, eine denkbare Ehebrecherin. Und falls sie dazu noch jünger war, sogar eine wahrscheinliche Geliebte. Sie traute weder meinem Vater noch anderen Frauen.«
»Hatte Euer Vater denn eine Geliebte?«
Sie schwieg einen Moment. Nervös knackte sie mit ihren Fingergliedern. »Ich … ich bin mir nicht sicher. Ich denke … ich hätte es gemerkt. Aber es hätte mich auch nicht gewundert. Mutter hat halt ihre eigene Einstellung zum Leben. Spaß und Freude sind für sie teuflisch, animalisch, sündig.«
»Warum seid Ihr Euch nicht sicher?«
Brigitta knackte wieder mit ihren Knöcheln. »Die Schwester unseres Kontorgehilfen Rehkopf – ihren Namen kenne ich leider nicht – die schwirrte in letzter Zeit andauernd um Vater herum. Richtig aufreizend war sie. Geradezu unanständig. Aber ich habe nicht bemerkt, dass er ihre Nähe suchte. Er war genauso höflich und freundlich zu ihr wie auch zu unseren Kunden.«
Plötzlich musste sie leise lachen. Sofort glitt ihre Hand unter ihren Schleier und sie bedeckte verschämt ihren Mund. Lachen war an diesem Ort und so kurz nach dem Tod des Vaters bestimmt nicht angebracht. Sie entschuldigte sich für das ungebührliche Verhalten.
»An was habt Ihr soeben gedacht?«, wollte Agnes nun aber wissen.
»Wieso sich diese ordinäre Person gerade meinen Vater ausgesucht haben soll, wo doch alle wissen, wie meine Mutter reagiert. Es ist zwar nur so eine Spinnerei von mir, aber ich denke, der Rehkopf hat seine Schwester dazu angestiftet.«
»Wieso denkt Ihr das?«
»Weil die Person immer dann kam, wenn Mutter außer Haus war. Und wenn sie eintraf, tuschelte sie erst mit ihrem Bruder, der ihr dann zeigte, wo sich Vater aufhielt. Ich fand das eigenartig.«
Die drei schauten sich fragend an. Das konnte alles Mögliche bedeuten und auch wieder nichts.
Brigitta unterbrach die Stille: »Das war es dann wohl. Darf ich jetzt für meinen Vater beten, wie ich das eigentlich vorhatte?«
Agnes war ein wenig verdattert. »Ja, ja, natürlich. Vielleicht eins noch: Wie sieht Eure Zukunft aus? Hat sich durch den Tod Eures Vaters etwas geändert?«
Das junge Mädchen seufzte kurz. »Oh, ja. Meine Mutter will mir nun ganz schnell einen Ehemann suchen. Da wahrscheinlich nicht mehr viel Geld vorhanden ist, wird die Mitgift bescheiden ausfallen. Damit wird für mich nur noch ein armer Schlucker übrigbleiben. Höchstens der Sohn eines Handwerkermeisters oder, wenn es ganz schlimm kommt, ein alternder Witwer. Schon allein der Gedanke daran ist schauderhaft. Aber bestimmt nicht der Sohn eines Händlers. Eine Katastrophe. Mein Leben ist dahin.«
Ludolf warf erstaunt ein: »Wieso sagtet ihr, dass nicht mehr viel Geld übrig ist? Die Lager sind doch voll.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Schon, aber keiner weiß, ob das überhaupt noch etwas wert ist.«
»Hat das denn schon einer geschätzt?«
Sie antwortete gleichgültig: »Was in den Büchern halt steht. Außerdem hat sich gestern ein anderer Händler alles angesehen. Leider fiel das Ergebnis nicht besonders gut aus.«
»Welcher Händler war es denn?«
»Ich habe ihn nicht gesehen und Mutter hat mir nur das Ergebnis gesagt. Darf ich jetzt gehen?«
Agnes und Ludolf bedankten sich bei der Händlerstochter für die Hilfe und verabschiedeten sich. Brigitta wandte sich um und ging mit langen Schritten in Richtung Altar. Kurz davor machte sie einen Knicks in Richtung einer Madonnenfigur und bekreuzigte sich. Langsam kniete sie nieder und begann zu beten.
Noch einmal im Kontor
Agnes und Ludolf kamen überein, noch einmal mit dem Kontorsgehilfen Rehkopf zu sprechen, auch auf die Gefahr hin, dass ihnen die Witwe begegnete und sie kurzerhand vor die Tür setzte. Eine andere
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