Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
griff nach innen. Sie schob den gammeligen Sack zur Seite, aber sie konnte im Dunkeln nichts erkennen.
»Ist da jemand?«, rief sie hinein.
Von irgendwoher kam eine Antwort. Man hörte Geschirr klappern und dann wurde die Eingangstür aufgerissen. Eine sehr junge Frau mit wallendem, blondem Haar stand im Rahmen. Sie hatte ein hübsches Gesicht und strahlend blaue Augen. Unter ihrem reich bestickten Kleid zeichnete sich eine reizende Figur ab. Schmale Taille, wohlgeformte Hüften und ein prallgefülltes Oberteil. Der Gegensatz zwischen Haus und Bewohnerin konnte nicht größer sein.
Sie blickte kurz auf Ludolf, ihr nettes Lächeln verschwand und sie murrte ohne einen Gruß: »Mein Bruder ist im Kontor Bode.« Schon drehte sie sich um und wollte die Tür wieder schließen. Aber Ludolf stellte seinen Fuß in den Rahmen.
»Heh, du Blödian! Was soll das?« Ihr hübsches Gesicht sah plötzlich gar nicht mehr nett aus.
»Falls Ihr Hiltrud seid, wollen wir zu Euch«, antwortete der junge Mann.
»Ach ja?« Abschätzig betrachtete sie die Besucher. »Was hab’ ich mit Euch zu schaffen?«
»Wir untersuchen den Tod des Händlers Bode. Falls Ihr nicht hier mit uns sprechen wollt, können wir Euch auch von der Wache ins Rathaus bringen lassen. Am besten gebunden wie eine Diebin.«
Sie war ein wenig verstört, sie zögerte. »Das werdet Ihr nicht wagen.«
Agnes schritt an Ludolf vorbei und drängte Hiltrud zur Seite. »Doch.« Und schon waren sie im Haus.
Die überrumpelte Frau knallte wütend die Tür hinter ihnen zu. »Beeilt Euch! Ich muss gleich weg.«
Nachdem sich die Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, erkannte man, dass das Haus von innen keinen besseren Eindruck machte als von außen. Es herrschte ein heilloses Durcheinander, und es roch unangenehm nach Verfaultem. Im Hintergrund erkannte man ein verwühltes Bett. Diverse Becher und Teller standen auf dem Tisch, dazwischen lag schimmeliges Brot und etwas, das einmal ein Stück Käse gewesen war. Ein edel aussehendes Kleid hing über einem Stuhl, ein anderes war achtlos in die Ecke geworfen worden. Und überall der Dreck und Staub von Monaten. Zu allem Überfluss erkannte man dazwischen auch noch die Hinterlassenschaften von Mäusen.
Ludolf kam sofort auf ihr Anliegen zu sprechen: »Ihr wart die Geliebte des Händlers Bode?«
»Das geht keinen was an. Das ist meine Sache.«
»Wenn Ihr Mitschuld an seinem Tod habt, doch.«
»Ich trage keinerlei Schuld. Er hat sich selbst erhängt. Also, was wollt Ihr?«
»Was wisst Ihr über Bode und seinen Tod?«
Sie hob ihre Schultern. »Nix.«
»Wenn Ihr Euch weiter so bockig benehmt, werden wir Euch doch zum Verhör mitnehmen müssen. Die Stadtwache wird weniger rücksichtsvoll sein.«
Hiltrud lachte laut los. »Im Gegenteil! Wolfram war bisher immer sehr nett zu mir.« Dabei zwinkerte sie anzüglich.
Agnes war bei der Nennung des Namens zusammengezuckt. Wie war das denn gemeint? Sie wollte gerade etwas sagen, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Lippen. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt.
Ludolf wiederholte seine ursprüngliche Frage: »Ihr wart Bodes Geliebte?«
So belanglos wie möglich antwortete sie: »Er hatte ein Auge auf mich geworfen.«
»Wie habt Ihr ihn denn kennengelernt?«
»Mein Bruder Ulrich, der arbeitet da im Kontor, hat mich ihm vorgestellt.«
»Hatte er einen besonderen Grund dazu.«
»Och …«, sie stockte einen Moment und setzte ein unschuldiges Lächeln auf, »Ulrich meinte, ich sollte sein’ Herrn ein wenig verwöhnen. Der braucht mal ’ne Abwechslung, hat er gesagt. Ihr müsst wissen, der Bode hat so’ne griesgrämige Frau, die ihn auf Ration gesetzt hat. Als seine Frau bei Verwandten war, kam ich wie zufällig vorbei. Aber der Bode war irgendwie komisch.« Zur Bestätigung schüttelte sie sich. »Er wollte andauernd nur quatschen. Nur immer blabla. Die ganze Zeit. Mann, war das langweilig! Ulrich weiß gar nich, wie viel Überwindung mich das gekostet hat. Selbst beim dritten Besuch hab’ ich den nich ins Bett bekommen. Da war für mich Schluss. Ich bin doch nicht blöd!« Sie tippte sich an die Stirn. »So lange ließ sich bisher noch keiner bitten. Die meisten muss man gar nicht mal bitten.«
Plötzlich schritt Hiltrud langsam auf Ludolf zu und leckte sich über die Lippen. Lässig raffte sie ihr Kleid bis zum Knie hoch. »Und wie lange muss ich dich bitten, Süßer?«
Er lächelte freundlich, ohne auf ihre nackten Beine zu achten. »Ich bevorzuge ein frisches,
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