Ehre sei dem Vater (German Edition)
hatte er mit raffinierten Tapetenborten
beklebt, die einem beim raschen Hinsehen eine wertvolle Wandstruktur vorgaukelten.
Nur sein winziges Schlafzimmer bildete einen groben Kontrast zu der ansonsten
überaus geschmackvollen Einrichtung. Voluminöse Vorhänge mit rosa-violetten Blütenblättern
hingen schwer über einem französischen Bett, an dem ebenfalls nicht mit pastelligen
Farben gespart wurde. Drei große Bilder mit massiven Rahmen und undefinierbaren
und ebenfalls bunten Motiven trugen zusätzlich zur Extravaganz des Raumes bei.
Der Kleiderschrank am Fußende war verspiegelt und ließ den Raum kurioserweise
nicht größer, sondern noch überladener wirken. Julian liebte diesen Raum. Für
ihn hing der Duft der Heimat noch tröstend in den Möbeln, obwohl die Farben der
Stoffe inzwischen schon etwas verblasst waren.
Jetzt, wo er in aller Eile für oberflächliche
Ordnung in der gesamten Wohnung gesorgt hatte, streckte er sich erschöpft auf
seinem Bett aus. Er erinnerte sich, wie er gemeinsam mit der Einrichtung dieses
Zimmers vor sieben Jahren mit dem Kleinlastwagen seines Schwagers Manfred in
Graz angekommen war. Die erste Zeit hier war alles andere als aufbauend. Es gab
niemanden mit dem er reden konnte. Keine Menschenseele, die er an seinem
Schicksal teilhaben lassen wollte. Er stellte sich vor, wie es wohl gewesen
wäre, wenn er damals zu einem seiner neuen Arbeitskollegen gesagt hätte: „Hey,
stell dir vor, ich wurde mit 25 Jahren (an sich ein Alter mit dem man für
gewöhnlich sowieso nicht mehr bei seinen Eltern wohnt) von meinem eigenen Vater
aus dem Haus geworfen, weil ich ihn menschlich so sehr enttäuscht habe, dass
ich ihm nie wieder unter die Augen treten darf!“ Das Piepsen seiner Armbanduhr
riss ihn jäh aus seinen Gedanken. Es war inzwischen 18.00 Uhr geworden und
seine Freundin sollte doch inzwischen längst bei ihm angekommen sein. Wie von
einer Tarantel gestochen, schoss er aus dem Bett hoch. „Wenn ihr etwas
dazwischen gekommen wäre, würde sie doch wohl angerufen haben“, ging es ihm
durch den Kopf, während er in der Küche zwei Aperitifs zubereitete. „Allerdings
würde niemand daran denken ihn zu verständigen, sollte ihr unterwegs etwas
zugestoßen sein…..“.
„Wie konntest du mir das antun!“ schallte es aus dem Inneren der Wohnung, als
Verena die Türglocke betätigte. „Hast du dein Handy zu Hause vergessen, oder
warum fandest du es nicht der Mühe wert, mich zu informieren, wenn du
aufgehalten wurdest?“ Inzwischen stand er bereits in der geöffneten Tür. „Hey
Julian, schön dass du dich schon so auf mich freust!“ Verena breitete die Arme
für ihren Freund aus und er nahm ihr Angebot bereitwillig an. Minutenlang
standen sie im kalten Gang und drückten sich herzlich. „Ich weiß, ich bin
manchmal ziemlich ekelhaft, kannst du mir noch einmal verzeihen?“ Mit
theatralischer Geste wies er sie ins Innere seines Domizils.
Es duftete nach Magnolien. Julian wusste,
dass Verena diesen Geruch liebte und er hatte schon vor einer halben Stunde
eine Duftkerze mit diesem Aroma für sie angezündet. „Du ahnst überhaupt nicht,
wie ich dich vermisst habe. Deine Widerlichkeit genauso wie deinen Charme und
dein besonderes Gespür für meine Bedürfnisse!“
Julian fühlte sich zwar geschmeichelt, wusste
aber über die Neigung seiner Freundin zu Übertreibungen, vor allem auch, weil
sich die beiden zuletzt vor zwei Monaten bei ihrer gemeinsamen Freundin Eva in
Irdning getroffen hatten. Sicher, ihre Situation hatte sich nach seinem Umzug
nach Graz grundlegend verändert. Früher hatten sie sich mindestens einmal pro
Woche auf einen ausgiebigen Tratsch getroffen, dafür telefonierten sie nun
regelmäßig, wobei ein solches Gespräch meist nicht unter einer Stunde abgeschlossen
war. Wenn es gröbere Probleme oder besondere Vorkommnisse gab, konnte es aber
schon einmal passieren, dass so ein Telefonat bis zu vier Stunden dauerte.
Er wusste, dass ihn sehr viele Männer um die
Freundschaft mit einer so tollen Frau beneideten. Auch wenn den meisten eine
platonische Freundschaft wie diese nicht ausreichen würde.
Verena war eine Frau mit ausgeprägter Wirkung
auf das andere Geschlecht. Für die meisten Männer lag die Faszination vor allem
an ihren rotbraunen Locken, die beinahe bis zur Körpermitte reichten, an den
großen, grünen Augen oder an ihren Sommersprossen (die sie leider mit Make-up
abzudecken versuchte). Auf andere wieder wirkte wohl ihre schlanke Figur und
das
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