Ehre sei dem Vater (German Edition)
ich mehr als entschädigt! Wie du
weißt, gibt’s momentan in meinem Leben sowieso eher wenig zu lachen.“
„Geht’s diesmal mehr um deine Tochter oder um
dein verkorkstes Liebesleben?“ Ohne eine
Antwort abzuwarten wusste Julian, dass es in Wahrheit eine Mischung aus diesen
beiden Problemen war, die seine Freundin belastete. Im Grunde genommen ging das
nun schon seit einigen Jahren mehr oder weniger gleich dahin. Verenas Tochter
war unbestritten in einem schwierigen Alter, aber das waren viele andere Mädchen
auch. Das wirklich Komplizierte daran war, dass Marie ihre Mutter komplett aus
ihrem Leben auszuschließen versuchte. Sobald Verena versuchte mit ihr zu reden,
egal über welche Banalitäten auch immer, bekam sie irgendeine protzige Antwort,
die jede weitere Konversation unmöglich machte. Marie war im Gegensatz zu ihrer
wirklich attraktiven Mutter sichtlich bemüht, so hässlich wie möglich
auszusehen. Dabei war sie früher ein total hübsches Kind gewesen. Zwar hatte
sie inzwischen einige Kilos zugelegt, sodass sie eher zu den Molligen in ihrer
Altersgruppe zu zählen war, aber dennoch wäre sie nicht als unhübsch zu bezeichnen gewesen. Julian hatte das Gefühl, Marie würde, um der Bezeichnung
„hässlich“ gerecht zu werden, absichtlich stark nachhelfen, nur um ihre Mutter
zu verletzen. Sie hüllte sich meist in schwarze oder zumindest dunkle,
sackartige Kleidung und behängte sich mit obskuren Satanistensymbolen .
Julian glaubte nicht, dass sie tatsächlich einer Satanistengruppe angehören würde, aber irgendetwas stimmte zweifellos nicht in der Beziehung
zwischen Mutter und Tochter.
„Marie ist im Moment so richtig krass drauf.
Ich habe das Gefühl total versagt zu haben. Dabei habe ich wirklich alles
versucht. Ich habe mich bemüht, ihr Aussehen so gut es ging zu ignorieren und
nicht ständig an ihr herumzumeckern. Trotzdem prallten meine Ideen für
gemeinsame Unternehmungen immer wieder nur an ihr ab. Wenn ich ganz ehrlich
sein darf, bin ich ab und zu heilfroh, wenn sie mit ihren Gruftie -Freunden
in irgendeinem windigen Lokal abhängt. Dann bleiben mir - für den Moment
wenigstens - unsere unausweichlichen Auseinandersetzungen und ihre Ignoranz
erspart. Dabei werde ich im selben Moment von meinem Gewissen gequält und ich
schäme mich für diese Gedanken. Gott, Julian ich bin eine miserable Mutter!“,
brach es aus ihr heraus, während sie mutlos in ihrem Sessel zusammensackte.
„Das bist du sicher nicht!“, versicherte er,
während er seinen vorab getroffenen Vorsatz, Verena ordentlich in die Mangel zu
nehmen, sofort wieder verwarf. Es brach ihm das Herz, seine Freundin so leiden
zu sehen. Er kannte sie lang genug, um zu wissen, wie schwer es ihr gefallen
sein musste, auch nur ab und zu nicht an ihrer Tochter herumzunörgeln.
„Glaubst du nicht“, sagte er stattdessen,
„dass es langsam an der Zeit wäre, einen Fachmann zu Rate zu ziehen?“
„Ach, lass mich mit diesen Seelenklempnern in
Ruhe. Du hörst dich an wie meine Mutter. Die meisten von denen haben doch
selber nicht alle Tassen im Schrank. Außerdem weiß ich ohnehin, worauf diese
Sitzungen beim Psychologen hinauslaufen würden. Pausenlos würden alte Wunden
aufgerissen werden und dazu habe ich weiß Gott keine Lust und Marie mit
Sicherheit auch nicht.“
„Dickkopf“, entfuhr es Julian, während er
gleichzeitig wusste, dass dieses Thema für heute abgeschlossen war. Bis Verena
seinen Vorschlag auch nur in Erwägung ziehen würde, musste noch viel
Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Sie hatte sich angewöhnt, erst die Bilder in
der Natur auf sich wirken zu lassen, dann Fotos zu machen und erst zu Hause die
passenden Gedichte zu ihren Eindrücken und Gefühlen zu verfassen. Eva Sandtner spazierte mit ihrer Digitalkamera durch Irdning.
Obwohl sie hier bereits geboren wurde, hatte die Begeisterung für ihre Heimat
auch nach 34 Jahren noch nicht an Intensität verloren. Sogar eher im Gegenteil.
Immer wieder fand sie mit ihrer Kamera faszinierende, bislang völlig unbekannte
Perspektiven. Ihr Weg führte sie durch den Skulpturenpark, der alljährlich von
mehr oder weniger bekannten Künstlern mit neuen Meisterwerken bereichert wurde.
Die Skulpturen waren fast ausschließlich aus Holz gefertigt worden und jede für
sich war Eva schon viele Fotos wert. Am meisten liebte sie den so genannten
„Ortskern“. Er stellte einen überdimensional großen Pfirsichkern dar und war
sowohl in seiner Symbolkraft als auch in seiner
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