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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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er bei der Arbeit im
Krankenhaus. Seine Schicht war noch nicht zu Ende und er hatte so gut wie
nichts Essbares in seinem Kühlschrank. Außerdem war seit seinem letzten Putztag
nun auch schon eine Menge Zeit vergangen. Er wusste, dass Verena keinen
einzigen Blick an seine Unordnung verschwenden würde, aber er wollte in ihren
Augen auf keinen Fall als schlampig und nachlässig dastehen. Zugegeben, es wäre
nicht ganz aus der Luft gegriffen gewesen, doch er hatte trotz aller an den Tag
gelegten Souveränität noch immer die Worte seiner Mutter im Ohr: „Mit einem
gewissen Maß an Ordnung unterstreicht man die Wertschätzung gegenüber seinen
Gästen!“ Seine Mutter war nie besonders sparsam mit solchen Weisheiten
umgegangen und bei Julian hatten sich ihre Sätze tief eingeprägt.
    Im Gedanken an seine Unordnung und an die
noch notwendigen Besorgungen für Verenas Besuch, rannte er hastig von einer
Etage des Krankenhauses in die nächste, um sämtliche Patienten mit den
notwendigen Medikamenten zu versorgen. Gleichzeitig wurde ihm die
Lächerlichkeit dieser Hektik bewusst. Seine Schicht würde um keine Sekunde
weniger lang dauern, nur weil er wie ein wild gewordenes Huhn durch die Gegend
lief. Die Ablöse würde pünktlich um 16.00 Uhr kommen, auch wenn Julian
inzwischen längst seine Arbeiten erledigt hätte. Also mäßigte er seine Schritte
und nahm langsam wieder Notiz von seiner Umgebung. Gott sei Dank hatte man in
diesem Krankenhaus nicht an breiten Gängen und Stiegenhäusern gespart. So waren die zwei Etagen, die zu Julians Arbeitsbereich gehörten, von
Licht durchflutet, das durch zwei Westfenster ungehindert einfiel, weil es
keine Vorhänge gab. Auf dem Fußboden bildeten sich hier, insbesondere an
sonnigen Tagen, wunderschöne Rautenmuster.
    Seine Arbeit machte ihm erstaunlicherweise
immer noch Spaß, obwohl er als Krankenpfleger oft genug mit Elend und
schrecklichen Schicksalen konfrontiert wurde.
    Die Leute hier würde er sicher vermissen,
wenn er eines Tages in seine Heimat in der Obersteiermark zurückkehren sollte…..
„Schwachkopf“, sagte er leise tadelnd zu sich selbst, als er merkte, dass sich
mit der Vorfreude auf Verena wieder einmal die altbekannte Sehnsucht auf eine
Rückkehr nach Hause eingeschlichen hatte. Dieser Wunsch hatte sich scheinbar
schon in sämtliche Windungen seines Gehirns eingebrannt, um bei jeder sich bietenden
Chance wieder in den Vordergrund zu drängeln. Er ärgerte sich über seine eigene
Naivität, wusste er doch, dass es kein Zurück mehr gab. Nicht, so lange sein Vater noch lebte. Niemals würde er ihm die
Schande, die er über seine Familie gebracht hatte, verzeihen.
    Eine ältere Frau mit orange-rot gefärbten
Haaren in einem gelben Plüsch-Trainingsanzug mühte sich mit klappernden Krücken
den Gang entlang und riss Julian aus seinen trüben Gedanken. Lächelnd grüßte er
und musste spontan wieder an seine Freundin denken. Genau so oder zumindest so ähnlich würde Verena in reiferen Jahren aussehen. Allerdings
würde sie selbst mit einer Gehhilfe nicht auf den lasziven Schwung ihrer Hüften
verzichten. Frei nach dem Motto: “Wer auffällt, hat mehr vom Leben!“ Action bis
zum Abwinken, das war ihre Devise. Dabei war es wirklich verwunderlich, dass
sie gerade diesen Wesenszug an ihrer eigenen Tochter so verurteilte. Im Grunde
wollte Marie doch auch nichts weiter als auffallen. Wenngleich nicht aus
demselben Beweggrund wie ihre Mutter. Heute würde er seiner Freundin wieder
einmal kräftig die Leviten lesen, das stand fest.
    Julian mochte das heruntergekommene Haus nicht, in dessen Erdgeschoß sich seine
Wohnung befand. Es war ein altes Gebäude, das Schulter an Schulter mit zwei
Nachbarn stand, die architektonisch völlig anders gestaltet waren. Julian
fröstelte noch immer ab und zu beim Anblick seiner Ersatzheimat , obwohl er die Kälte und Unnahbarkeit der alten
Gemäuer im Außenbereich mit viel Liebe zum Detail im Inneren seiner vier Wände
perfekt kompensiert hatte. Küche, Wohn- und Esszimmer waren praktisch ein Raum,
jedoch leicht verwinkelt. Julian hatte jeden Bereich individuell gestaltet.
Während in der Küche die Farben gelb und grau
dominierten, war das Esszimmer hauptsächlich in verschiedenen Blautönen
gehalten und die Wohnecke verströmte mit einer Wand
aus Ziegelsteinoptik, einem Wandverbau aus Kiefernholz und einer bequemen
sandfärbigen Couch behagliche Gemütlichkeit. Die Ecken, die den Übergang in den
jeweils anderen Bereich markierten,

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