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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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steinerner Miene sein Spiegelbild betrachtete: Das
Gesicht wirkte hager, die Haut blass und sein Bart stärker, als er gedacht
hatte. Bei seiner übereilten Flucht von zu Hause vor beinahe zwei Wochen, hatte
er stattliche neunzig Kilo gewogen bei knapp einem Meter achtzig Größe. Er
musste beträchtlich an Gewicht verloren haben - wie viel, ließ sich schwer
abschätzen, aber seine Kleidung saß sehr locker und sein Gürtel hatte zum
ersten Mal seit vielen Jahren wieder einmal die Aufgabe, die ihm ursprünglich
zugedacht war. Durch den Gewichtsverlust und durch seinen Bart hatte sich sein
Aussehen erheblich verändert. Nachdem er sich Gesicht und Hände gewaschen
hatte, machte er sich die Haare nass und strich sie mit den Handflächen zurück.
Hinter sich hörte er ein Geräusch, als die Türklinke heruntergedrückt wurde.
    „Einen Moment bitte!“, sagte er. Draußen
wurde ungeduldig an die Tür geklopft. „Ich bin ja bald so weit. Was ist denn
los?“ Franz Seidl war an derartige Ungeduld in diesen Gemäuern nicht gewöhnt.
Er schnallte sich im Eiltempo seine Prothese an den Fuß und humpelte zur Tür.
Bruder Markus sah ihn mit hilflosem Gesichtsausdruck an. „Ihre Frau wurde gestern
Abend mit der Rettung ins Spital gebracht. Scheinbar ist ihr die ganze
Aufregung, rund um Ihr Verschwinden zu viel geworden!“ Franz’ Gesichtsfarbe
wurde noch fahler, sein Magen verkrampfte sich und seine Beine wollten ihm den
Dienst versagen. „Mein Verschwinden, oder das, was sie in der Zwischenzeit
erfahren musste?“, dachte er und stützte sich mit den Händen an der Wand ab und
sank auf seine Bettkante.
    „Meine Pflicht als Kirchendiener ist es, den
Menschen zu helfen, aber ich will bei dieser Hilfe auf keinen Fall jemandem
anderen schaden.“
    „Wie geht es ihr jetzt?“
    „Die Leute sagen, es war ein Schwächeanfall
und sie wird ein paar Tage unter Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Am besten,
Sie machen sich gleich auf den Weg dorthin, damit sie bald wieder auf die Beine
kommt.“
    „Das…, das ist unmöglich!“, entfuhr es Franz.
    „Sie wollen also tatsächlich die Gesundheit Ihrer
Frau aufs Spiel setzen, nur um Ihre lächerlichen Geheimnisse zu schützen?“ Der
gutmütige Klostervorsteher war sichtlich an die Grenzen seiner Geduld gestoßen.
    „Lächerliche Geheimnisse! Was verstehen Sie
denn schon davon. Sie leben in Ihrer heilen Klosterwelt. Lächerliche
Geheimnisse! Dass ich nicht lache!“, schrie Franz erbost. Er war außer sich vor
Wut. Allerdings war es mehr die Wut auf sich selbst, auf seine eigene Feigheit.
Der Bruder hatte Recht. Was war schon sein Geheimnis im Vergleich zum Wohlergehen
seiner Frau. Er würde sich nie verzeihen, wenn ihr tatsächlich durch sein
Verschulden etwas Schlimmeres zustoßen würde. „Steht es wirklich so schlecht um
meine Frau?“ Franz hatte seine Stimme wieder einigermaßen unter Gewalt.
    „Man erzählt sich, dass es ihr in der
Zwischenzeit schon etwas besser gehen sollte. Ihre Familie kümmert sich
anscheinend rührend um Sie.“ Der Guardian machte eine kurze Pause. „Sie glauben
gar nicht, welche Bürde Sie mir auferlegt haben. Wie unsagbar schwer es mir
fällt, in die verzweifelten Gesichter Ihrer Angehörigen zu sehen, ohne ihnen
den Trost spenden zu können, der ihnen am allermeisten helfen würde. Wie gerne
ich sagen würde: ,Franz lebt, es geht ihm gut!´“
    „Setzen Sie sich!“, sagte Franz nun schon
etwas ruhiger, jedoch mit angespannter Miene. „Ich habe Ihnen nicht alles
erzählt. Vielleicht können Sie mich danach besser verstehen!“

„Sie hat was?“
    „Sie hat die Mauern des Klosters mit Farbe
besprüht und wurde dabei erwischt.“ Verena sprach ganz langsam und ruhig. Sie
wunderte sich selbst über ihre Gelassenheit. Noch vor wenigen Tagen war sie
deswegen nahe am Nervenzusammenbruch und nun reagierte sie wie ein abgeklärter
Psycho- Fuzzi . „Was die Liebe alles schafft!“, dachte
sie.
    „Das ist aber eine Straftat, ist dir das
klar?“ Eva war noch immer ganz aufgebracht. „Und wie kriegt ihr das wieder auf
die Reihe?“
    Verena bückte sich langsam zu ihren offenen
Schuhbändern und band mit einer Seelenruhe eine gleichmäßige Schleife. Es
gefiel ihr, wenn ihre Freundin wieder Anteil am Leben anderer nahm, und sie in
diesem Zustand ein wenig auf die Folter zu spannen, war doppelt schön. Erst
nach nochmaliger Aufforderung erzählte sie von ihrem peinlichen Auftritt auf
dem Gendarmerieposten . Sie ließ nicht eine einzige

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