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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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fragte er.
    „Meine Frau ist leider im letzten Jahr
verstorben, ebenso wie meine Mutter, die mich früher täglich hier besuchte,
weil sie gleich nebenan gewohnt hatte. Seither ist es hier sehr einsam
geworden.“
    „Oh, das tut mir leid. Ich wollte keine
Wunden aufreißen.“ Julian ärgerte sich über seine Taktlosigkeit.
    „Ach, keine Ursache“, erwiderte er. „Und
übrigens, meine Freunde nennen mich Robert. Er streckte Julian die Hand
entgegen. Julian ergriff sie, etwas verunsichert über die rasche
Vertraulichkeit und stellte sich seinerseits mit Vornamen vor. Nachdem Robert
für sie beide Kaffee gemacht hatte, begann er von sich aus das Gespräch. „Ich
kenne deinen Vater erst seit einigen Jahren, genauer gesagt seit sechseinhalb
Jahren. Damals gab es einen Todesfall in unserer Familie. Dein Vater hat am
Begräbnis teilgenommen und wir sind danach noch einige Stunden beieinander
gesessen. Er tut sich wohl sehr schwer, seine Gefühle zu zeigen, nicht wahr?“
    „Das ist sicher wahr, aber wessen Begräbnis
war es denn, dem ihr beide beigewohnt habt?“, fragte Julian, der sich beim
besten Willen nicht daran erinnern konnte, Freunde oder gar Verwandte der
Familie in Esslingen zu haben. Er schämte sich, diese Frage stellen zu müssen.
Robert würde sich sicher wundern, warum er so wenig über seinen Vater wusste. Wahrscheinlich
würden nun die unausweichlichen Fragen über das Verhältnis zwischen ihm und
seinem Vater folgen und er hatte keine Lust, vor diesem Fremden sein Intimleben
auszubreiten.
    „Das weißt du nicht? Ich habe mich damals
schon gewundert, dass niemand sonst aus eurer Familie am Begräbnis teilgenommen
hat.“
    „Wer wurde begraben?“ Julian wurde schon
ungeduldig.
    „Dein Großvater väterlicherseits.“
    „Das ist nicht möglich! Mein Großvater ist
bereits im Krieg gefallen!“
    „Das wurde euch erzählt? Franz hat tatsächlich
behauptet, dass sein Vater im Krieg gefallen ist? Unglaublich!“ Robert war
sichtlich überrascht.
    „Um Himmels Willen, warum sollte unser Vater
gelogen haben? Er hat doch so schrecklich darunter gelitten, keinen Vater mehr
zu haben. Mutter hat nicht selten erwähnt, dass er sogar heute noch Albträume
deswegen hat.“
    „Das war es also!“ Millner -Rubens
schien ein Licht aufzugehen. „Deswegen hat er sich so eigenartig verhalten!“
    „Bitte klär mich auf. Weswegen soll sich mein
Vater eigenartig verhalten haben?“
    „Ich glaube, das ist eine Sache, die eure
Familie untereinander klären sollte. Wenn es dein Vater bis heute nicht
geschafft hat, darüber zu sprechen, will ich ihm diese Last auch nicht
abnehmen. Da muss er ganz allein durch!“
    „Bitte, sag mir alles was du weißt!
Vielleicht hat es etwas mit seinem Verschwinden zu tun“, drängte Julian. Er sah
dem Deutschen ganz eindringlich in die Augen. Doch dieser schien einen
Entschluss gefasst zu haben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Tod eures
Großvaters vor mehr als sechs Jahren etwas mit dem Verschwinden deines Vaters
zu tun haben kann. Und es ist auf gar keinem Fall meine Aufgabe, dich über
Sachen aufzuklären, die eindeutig Sache deines Erzeugers sind.“
    Das Wort „Erzeuger“ hatte ein wenig abfällig
geklungen. Überhaupt hatte Roberts Stimmung umgeschlagen. Er war zwar nach wie
vor freundlich, aber bei weitem nicht mehr so hilfsbereit wie vorher. Auf
Julians Fragen kamen keine oder nur sehr knappe Antworten und er hatte sichtlich
Mühe nicht die Fassung zu verlieren. „Wieso war er so verletzt? Er hatte
eingangs erwähnt, dass es vor sechseinhalb Jahren einen Todesfall in der Familie gegeben hatte. War sein
Großvater am Ende auch der Vater dieses Mannes? Altersmäßig könnte sich das
ausgehen. Dann war Robert vielleicht sogar Julians Onkel? Zumindest würde das
seine etwas beleidigte Reaktion erklären. Was Julian aber nach wie vor nicht
verstehen konnte, war, warum sein Vater in all den Jahren nicht gesagt hatte,
dass Großvater noch lebte. Es erschien ihm unverständlich, dass Franz nur
deswegen geschwiegen haben sollte, weil der Mann, der ihn gezeugt hatte, seine
Mutter verlassen hatte. Gut, er verstand, dass man dem Vater deswegen böse war,
aber ihn gleich sterben zu lassen?

„Ehre
sei dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist….“ Die männliche Stimme im
Nachbarzimmer beendete ihr Gebet viel lauter, als es Franz lieb war. „Ehre sei
dem Vater“, wiederholte er verächtlich und spuckte in das Waschbecken, bevor er
sich wieder aufrichtete und mit

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