Ehre sei dem Vater (German Edition)
Kleinigkeit
aus und musste sich selbst immer wieder unterbrechen, weil sie von Lachkrämpfen
geschüttelt wurde. Allein der Gedanke an die ernste Miene des Beamten erschien
ihr in diesem Moment zum Totlachen, obwohl er damals nichts Witziges an sich
hatte. Sie war mit Verena noch in der Nacht zum Gendarmerieposten gegangen, und die beiden wurden von einem leicht schläfrig wirkenden Beamten
empfangen. Sie stellte sich gerade vor, wie sie damals auf den Herrn Inspektor gewirkt
haben musste. Vor ihm stand eine leicht angedudelte Mittdreißigerin mit halb aufgestecktem,
halb offenem, langen rotem Haar mit einer schwitzenden Göre im Schlepptau. Die
Wahrheit war, dass sie wegen ihrem weinseligen Abendplausch bei ihren Freunden
freilich noch nach Alkohol gerochen haben musste, obwohl sie in der
Zwischenzeit bereits wieder halbwegs nüchtern war. Wer hätte ahnen können, dass
auf dem Fußweg vor dem Gendarmerieposten ein
Kanalgitter so ungünstig positioniert war, dass sich Verena mit dem Absatz
ihrer rechten hochhakigen Sandale darin verfangen konnte? Verfangen wäre ja
noch harmlos gewesen. Bei dieser Aktion war Verena auch noch gestolpert. Ihre
Frisur war völlig ruiniert und das rechte Bein am Knie aufgeschlagen. Zu allem
Überfluss war das filigrane Ding von Absatz dabei auch noch bis auf wenige
Millimeter abgebrochen. Sie stand also vor der Wahl, barfuß vor die Hüter des
Gesetzes zu treten oder eben so, wie sie es letztendlich auch getan hatte. Die
dritte Möglichkeit, noch einmal kurz nach Hause zu laufen, schied von
vornherein aus, weil keine von ihnen große Lust hatte, weitere zwanzig Minuten
per pedes zurückzulegen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte, zur großen
Erleichterung der beiden, noch niemand Anzeige erstattet. Marie hatte
angegeben, allein für die Sprühaktion verantwortlich zu sein und der Gendarm
klärte sie beide darüber auf, dass im Fall des Einlenkens durch den Besitzer,
also durch das Kloster, die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung gegeben
war und dass dies wohl die beste Lösung für alle wäre. Eine Geldstrafe bzw. die
Kosten für die Wiederherstellung der beschmierten Klostermauern würden aber
trotzdem nicht ausbleiben, bemerkte der Beamte. Er blickte die beiden durch
seine schmale Hornbrille streng an. Er hatte offenbar den Eindruck, dass die
finanzielle Seite das größte Problem darstellen könnte. „Sie, Frau Bach, sind
alleinstehend?“
„Ist das ein Problem?“ Verena war zu
aufgeregt, um ihre Worte zu überdenken. Der Gendarm räusperte sich und
antwortete mit ernster Miene: „Natürlich nicht. Da Ihre Tochter noch nicht
volljährig ist, bin ich verpflichtet, auch alle wichtigen Informationen zu Ihrer
Person aufzunehmen.“ Nach Aufnahme von sämtlichen persönlichen Daten schaute er
die beiden Frauen lange eindringlich an. Marie, ungewöhnlich einsichtig, hatte daraufhin
sofort vorgeschlagen, in den nächsten Tagen persönlich im Kloster um
Entschuldigung zu bitten und Wiedergutmachung in Form von sozialen Tätigkeiten
anzubieten.
Als sie das Wachzimmer endlich verlassen
konnten, kam die große Erleichterung. Das Schlimmste, was Ihnen jetzt noch
passieren könnte, wäre, dass die Padres nicht mit
einer außergerichtlichen Einigung einverstanden wären. Aber allein von
Berufswegen müsste den Herren das Verzeihen nicht allzu schwer fallen. Das
hoffte Verena zumindest.
Eva hatte sich inzwischen wieder gefasst und
auch sie konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. „Und, wie geht’s den
beiden Bach-Mädels jetzt? Ich meine, läuft’s endlich wieder besser zwischen
euch beiden?“
Verena zuckte knapp mit den Achseln. Die
Wahrheit war, dass sie Marie in den letzten Tagen kaum zu Gesicht bekommen
hatte. Sie schloss sich meistens in ihrem Zimmer ein oder malte mit Verenas
Mutter im Atelier. „Wunder kann ich wohl nicht erwarten“, antwortete sie, „aber
wir haben bestimmt einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Julian hatte
ja gemeint, ich sollte mit Marie gemeinsam eine Art Familientherapie machen.
Vielleicht hat er ja Recht. Zumindest will ich diese Möglichkeit nun nicht mehr
ausschließen, wenn sich in der nächsten Zeit nicht entscheidend etwas ändert.
Ich bin aber auf jeden Fall zuversichtlich.“
„Schön für euch.“ Evas Worte klangen nicht
gerade überzeugend. Verena hatte das Gefühl, Eva gönnte ihr dieses kleine Glück
nicht wirklich. Vielleicht täuschte sie sich auch. Jedenfalls wollte sie in
diesem Moment nicht auch noch erzählen,
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