Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
Vom Netzwerk:
unser
deutscher Freund wohnt!“ Sogar Eva entrang sich eines Lächelns. „Ich stehe
dazu, homosexuell zu sein. Wenn das vorhin nicht so gewirkt hat, liegt das
absolut nicht in meiner Schuld.“ Julian wandte sich gespielt beleidigt zur
Seite.
    Gedämpfte Jazzmusik drang in ihre Ohren, als
sie die letzten Stufen bis zur Burg hinter sich brachten. „Wer hätte das
gedacht? Nun empfangen uns die gastfreundlichen Leutchen auch noch mit Musik!“,
witzelte Verena und hakte sich bei Eva ein. Als sie auf dem Plateau durch einen
runden Torbogen schritten, lag vor ihnen ein begrünter Burghof, auf dem es, allem
Anschein nach, etwas zu feiern gab. Ein Verkaufsstand neben dem anderen bot
frisch zubereitete Spezialitäten aus der Region an. Daneben wurden die
obligaten Würsteln mit Pommes angeboten, die für den typischen Volksfestgeruch
sorgten. Der Ausblick von hier oben war tatsächlich überwältigend. Das schwüle
Wetter tauchte die Türmchen und Giebel der Gebäude in diesiges Licht, und die Sonne spiegelte sich in den Solaranlagen der Dächer wie an den
Scheiben der Fenster. Es sah fast aus, als würden die Sonnenstrahlen über die Glasfronten
tanzen. Eine hölzerne Bank lud zu einer Rast ein. Spatzen tummelten sich vor
den Sitzbänken, um die Krümmelchen vom Boden
aufzuschnappen, die die Leute ihnen zuwarfen. „Verlockende Aussicht, meint ihr
nicht?“ Verena hatte schon, Eva hinter sich herziehend, ein paar Schritte in
Richtung Bank gemacht. „Ich könnte nach den heutigen Strapazen schon locker ein
kleines Bierchen vertragen“, sagte Verena. „Seid mir bitte nicht böse, ihr könnt
ruhig noch bleiben, aber ich habe im Moment nicht mehr die nötige Ruhe für
einen längeren Aufenthalt. So nah am Ziel möchte ich keine Zeit mehr verlieren.“
Schon war Julian wieder auf den Beinen. „Ich gehe inzwischen alleine vor.
Vielleicht ist es ohnehin besser, wenn ist fürs Erste allein mit dem Mann
spreche.“

    Als er schließlich am Inner- Rothschildweg Nummer 50 stand, zitterten ihm ein wenig die
Knie. Es duftete nach Rosen, die in allen möglichen Farben vor den eng
aneinandergebauten Häusern gepflanzt worden waren. Die Flachdächer der modernen
Neubauten, ihre abwechselnd hellgrauen und weißen Fassaden und die schlichten
Balkone erinnerten Julian stark an die Landschaft an der oberen Adria. Die
Siedlung befand sich auf einer kleinen Hochfläche, im Hintergrund waren keine
Berge oder sonstigen Erhebungen zu sehen, sondern nur die hoch stehende Sonne
und das dunstige Blau des Himmels. Das vermittelte das Gefühl, nur eine Gasse
entlang gehen zu müssen, um an einen wunderschönen Strand zu gelangen. „Schön
wär’s, hier einfach nur Urlaub machen zu können!“ Bei diesem Gedanken wurde er
rasch wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Sein Vater hatte hier offenbar so
etwas wie einen Urlaub verbracht und er würde hoffentlich schon bald Näheres
darüber wissen. Beherzt drückte er die Klingel. Ein großer, dunkelhaariger Mann
mit grauen Schläfen öffnete die Tür. Seine blauen Augen blickten ihm freundlich
und neugierig zugleich entgegen.
    „Grüß Gott. Mein Name ist Julian Seidl. Ich
bin auf der Suche nach meinem Vater. Sie haben ja bereits davon gehört, dass er
vor beinahe zwei Wochen spurlos verschwunden ist.“
    „Natürlich, guten Tag. Ich freue mich, Sie
endlich kennen zu lernen, wenn auch unter diesen nicht gerade erfreulichen
Umständen. Gibt es noch immer keine Spur von Ihrem Vater?“ Der Mann klang
ernsthaft besorgt. „ Ach, treten Sie doch bitte ein.“ Herr Millner -Rubens
führte ihn durch ein schmales Vorhaus. Der Boden knarrte unter ihren Füßen, bis
sie durch den langen, mit Holzparkett ausgelegten Gang in die eigentlichen Wohnräume
gelangten. Das Innere der Wohnung bestätigte den mediterranen Eindruck noch
einmal. Die Möbel waren hell, freundlich und zugleich ein wenig verspielt,
während durch die großflächigen, vorhanglosen Fenster ungehindert das helle
Licht der Sonne einfiel. Die Lamellenrollos waren zur Seite geschoben. „Eigenartig!“,
dachte Julian, während er hinter dem großen Mann herging. Im kühlen Deutschland
hätte er solche Eindrücke nicht erwartet. „Wollen wir uns auf die Terrasse
setzen?“, unterbrach der Deutsche seine Gedanken. „Mein Urlaub ist zwar noch
gar nicht so lange her, aber ich liebe es, jede mögliche Minute im Freien zu
verbringen.“
    „Gerne!“, antwortete Julian und folgte dem
Mann auf die geräumige Veranda. „Leben Sie allein hier?“,

Weitere Kostenlose Bücher