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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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seiner Wohnung in der Lagergasse.
    Ronny hatte Spaß am Regen. Er lief voraus, tänzelte
geschickt in jede sich bietende Lache und kam danach immer wieder zu Barbara
zurück, um sich an ihre nackten Beine zu schmiegen. Aus einer Pfütze ergoss
sich zum x-ten Mal eine Dreckbrühe über Barbaras Laufschuhe. Ihre nassen Füße
rutschen im vom Wasser aufgeweichten Innenfutter immer weiter nach vor und die Zehen fingen bereits an zu schmerzen. Barbara
reagierte nicht darauf. Wie hypnotisiert starrte sie weiterhin nur auf den
Boden vor ihren Füßen und hing ihren Gedanken nach.
    „Wie konnte er uns das nur antun?“, schimpfte
sie. „Nichts, rein gar nichts wäre geschehen, wenn er uns von vornherein die
Wahrheit gesagt hätte, aber uns deswegen unseren Großvater vorzuenthalten...? Da ist er eindeutig zu weit gegangen!“
    Trotz ihrer Wut schaffte sie es nicht, die
Verzweiflung über das Verschwinden ihres Vaters zu verdrängen. Dazu kamen die
neuesten Erkenntnisse der Gendarmen, dass ein Nachbar unmittelbar damit zu tun
haben könnte. Plötzlich stand für die Beamten ein Verbrechen im Vordergrund.
Man traute diesem Karl Weber offenbar so einiges zu. Barbara war geschockt, als
sie gehört hatte, was der korpulente Nachbar in seinem Haus an Grausamkeiten
mit Franz Seidls Fotos veranstaltet hatte. Messerklingen steckten in sämtlichen
Körperteilen, darüber hinaus hatte er auf seiner Pinnwand wütende Kommentare,
gespickt mit obszönen Ausdrücken, angebracht. Aber musste er ihn deshalb gleich
umgebracht haben? Könnte sich der Hass Webers über die Jahre wirklich so
aufgeschaukelt haben, dass er eines Mordes fähig wäre?
    Die beiden Männer hatten schon seit Ewigkeiten
einen Zwist wegen eines Grundstücks, das direkt an der Grenze der beiden
Anwesen lag. Jeder behauptete, dass der jeweils andere Grenzsteine zu seinen
Gunsten versetzt hätte. „Als ob das so einfach wäre!“, dachte Barbara. Sie
selbst hatte sich in die Streitigkeiten nie eingemischt, obwohl sie inzwischen
Eigentümerin der Landwirtschaft war. Sie hatte Karl Weber nie besonders
gemocht, das musste sie sich eingestehen, aber sie hatte ihn immer gegrüßt. Das
hatte auch der Rest der Familie so gehalten, auch wenn keine freundlichen Worte
- wie man sie mit anderen Nachbarn wechselte - fielen. Ihr selbst war Weber
immer ziemlich egal gewesen. Der Vater aber hatte ihn schon seit Jahren keines
Blickes mehr gewürdigt. Es war oft direkt erheiternd zu sehen, wie offensichtlich
sich die beiden ignorierten. Wenn der alte Weber mit dem Traktor langsam am Hof
der Seidls vorbeifuhr, zog er den Hut so weit in sein Gesicht und drehte den
Kopf so weit zur Seite, dass er schon Schwierigkeiten
haben musste, die Straße im Auge behalten zu können. Franz Seidl, der noch
immer ab und zu das Gras ganz nahe am Zaun des Nachbarn mit der Sense abmähte,
konnte bis auf einen Meter bei seinem Kontrahenten stehen, ohne ihn zu bemerken . Barbara hatte nicht selten mit
ihrem Mann oder mit der Mutter über die beiden Streithähne gewitzelt. Der
Nachbar war für sie nichts weiter als ein Verrückter. Niemals wäre sie auf die
Idee gekommen, dass gerade dieser Mann etwas mit dem Verschwinden des Vaters zu
tun haben könnte. Dass er vielleicht sogar eines Verbrechens wie Mord fähig
wäre, lag sowieso außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Allerdings war Inspektor
Schwarz da ganz anderer Meinung. Er war überzeugt davon, dass der dicke Weber
eine ganze Menge Dreck am Stecken hätte. Er hatte Barbara die entsetzlichen
Fotos von der großen Pinnwand des Nachbarn unter die Nase gehalten und mit
eindringlichem Blick zu ihr gesagt: „Wir dürfen den Wahnsinn dieses Mannes
nicht auf die leichte Schulter nehmen. Verbrechen werden häufig von Verrückten
begangen. Glauben sie mir, ich finde Mittel und Wege, alles aus dem Mann
herauszukriegen, was er getan hat.“ Schwarz musste wohl ihren Zweifel bemerkt
haben. „Vertrauen Sie mir!“, setzte er mit einem eindringlichen Blick in ihre
Augen nach.
    Barbara ärgerte sich nicht zum ersten Mal
über ihre Miene, aus der offensichtlich sogar Fremde wie in einem offenen Buch
lesen konnten.
    „Wer weiß, vielleicht hat der Inspektor Recht“,
sagte sie leise vor sich hin. Aber das würde heißen, dass ihr Vater nicht mehr
am Leben war. Barbaras Selbstbeherrschung war jäh zu Ende. Zum Regenwasser, das
sich längst den Weg von ihren Haaren über das Gesicht gebahnt hatte, mischten
sich dicke, warme Tränen. Sie hatte noch nicht den Mut gefasst,

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