Ehre sei dem Vater (German Edition)
seinem Erpresser tatsächlich gesucht
und wer, wenn nicht Robert Millner -Rubens, sollte von
seinem Geheimnis gewusst haben?“
Die Morgensonne fiel durch das Fenster und
tauchte das Zimmer in warmes Licht. Es schimmerte auf dem Holz der Möbel,
verwandelte das schlichte Metall des kleinen runden Waschbeckens und der
Beschläge in Gold. Es lag sanft auf dem Kruzifix und gab den Dingen, die im
nächtlichen Dunkel zerflossen waren, ihre Gestalt wieder.
Ein schmaler Strahl fiel über den Stuhl, auf
dem die Prothese lag. Noch während Franz hinsah, verflüchtigte er sich wieder.
„Nicht einmal die Sonne kann die Stelze länger als ein paar Sekunden ertragen!“,
dachte er. Er würde sich nie an diesen Behelf gewöhnen und war doch froh, dass
er ihn hatte, wusste er doch, wie hilflos er ohne das Ding wäre. Langsam
richtete er sich auf. In letzter Zeit war er, wahrscheinlich aufgrund des
Gewichtsverlustes, häufig schwindlig. „Ist gar nicht so einfach, sich langsam
zu bewegen, wenn man gleichzeitig möglichst rasch aus dem Bett kommen will“,
dachte er mit einem Anflug von Selbstironie. In wenigen Minuten würde an die
Tür geklopft werden. Franz hatte sich schnell an die Gepflogenheiten im Kloster
gewöhnt. Er war immer vor dem Klopfen der Brüder wach und beeilte sich, die
Prothese anzuziehen, damit niemand Anstoß an seinem hässlichen Stummel nehmen
könnte. Plötzlich hielt er inne. Zum ersten Mal merkte er, wie lächerlich seine
verdammte Eitelkeit in Anbetracht seiner Situation war. „Die gestrige
Rekreation!“, sagte er plötzlich halblaut vor sich hin. „Ich muss mir so rasch
wie möglich überlegen, wo ich in den nächsten Tagen unterkomme.“ Erst jetzt bemerkte
er, dass er bereits in „Klostersprache“ dachte. Die Brüder sprachen immer von
Rekreation, wenn sie abends gemütlich zusammen saßen, um zu plaudern, und
diesen Ausdruck hatte er sich scheinbar auch schon zu eigen gemacht. Während
der Rekreation des letzten Abends war darüber gesprochen worden, dass in einer
Woche wieder Exerzitien hier im Kloster abgehalten würden. Er hatte diesen
Ausdruck schon öfters zuvor gehört, sich aber über den Sinn dieser
Veranstaltungen wenige Gedanken gemacht. Bruder Markus hatte ihm erklärt, dass
man unter Exerzitien Zeiten verstehe, in denen sich Einzelne oder Gruppen
intensiv und mehr als für sie selbst üblich, dem Gebet und der Besinnung
widmen. Für Franz hieß das aber vor allem, dass jede Menge fremder Leute ins
Kloster kamen. Bisher hatten ihn nur die Kapuziner, die hier wohnten, zu
Gesicht bekommen und die würden ihn nicht verraten. Sobald die Frauen im
Anmarsch waren, die den Brüdern regelmäßig bei anstehenden Hausarbeiten zur
Hand gingen, hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen und den Schlüssel herum
gedreht. Einmal hatte eine Frau - offenbar um zu lüften oder zu putzen - an der
Tür gerüttelt. Nachdem er aber nicht reagiert hatte, brummelte sie etwas vor
sich hin, von wegen Geheimnistuerei und verschwand rasch wieder. Nun würde es
aber sicherlich ungemütlicher werden. „Ich muss mit dem Guardian sprechen“,
sagte er zu sich, während er beinahe im Laufschritt ins Erdgeschoss humpelte,
„am besten noch vor der Meditation. Vielleicht kann ich mich ja jetzt in das
kleine Häuschen am hinteren Ende des großen Gartens zurückziehen.“ Es würde
nicht leicht sein, gleich mehrere Tage ganz mit sich allein zu sein, aber das
wäre allemal besser, als erkannt und verraten zu werden.
Bruder Markus ging bereits mit einem anderen Kapuziner in Richtung Betchor . Franz musste sich beeilen, um sie noch einzuholen,
bevor sie ihr Ziel erreicht hatten, sonst würde es wieder mindestens eine
Stunde dauern, bis er seine Bitte vorbringen könnte. „Haben Sie bitte einen
Moment für mich, Bruder Markus?“, fragte er vor Anstrengung keuchend, als er
die Kapuziner erreichte.
Der Geistliche trat auf ihn zu und sein
Gesprächspartner ließ die beiden Männer allein. Franz Seidl sprudelte drauf los,
sagte alles was er sich in der Kürze zurechtgelegt hatte und wartete gespannt
auf die Reaktion seines Gegenübers. Der lächelte wie immer freundlich,
antwortete aber mit bestimmtem Tonfall, dass das Häuschen im Garten einen ganz
anderen Sinn hätte, als als Versteck herzuhalten. Er
könne ja verstehen, dass Franz nicht gesehen werden wollte, aber die
vorgeschlagene Lösung könnte er nicht gut heißen. „Wie wär’s“, meinte er, „wenn Sie stattdessen schon heute
den Weg ins Gartenhäuschen
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