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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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antreten würden und solange bleiben, bis Sie sich
entschieden haben, wie es weiter gehen soll? Wahrscheinlich kehren Sie in wenigen
Tagen wieder zurück und, so Gott will, haben Sie dann vielleicht einen Weg aus
Ihrer Misere gefunden.“
    „Und wenn nicht?“
    „Wenn nicht, dann werden wir beide, natürlich
nur wenn Sie das wollen, gemeinsam noch einmal versuchen einen Ausweg zu
finden. Das Wichtigste bei der Sache aber ist, dass Sie selbst endlich wissen,
wie Sie sich Ihre Zukunft vorstellen. Sie können nicht ewig hier im Kloster
bleiben, das ist Ihnen doch hoffentlich klar, oder? Außer sie wollen einer von
uns werden…“ Er sah Franz lange und eindringlich an.
    Franz’ leerer Magen zog sich schmerzhaft
zusammen. Für ihn war im Moment kein Leben außerhalb der Klostermauern
vorstellbar, aber er würde nicht drum herum kommen, eine Entscheidung zu
treffen.
    „Da muss ich wohl durch“, sagte er
schließlich. „Im Laufe des morgigen Tages werde ich in die Ein-Mann-Zelle
ziehen“, sagte er scherzhaft, obwohl ihm tief in seinem Inneren nicht nach Heiterkeiten zumute war.

Ihr Mann war bei den Kindern zu Hause
geblieben, während Barbara - nur mit kurzer Hose und T-Shirt bekleidet - bei
strömendem Regen den aufgeweichten Forstweg in Richtung Heiligenbrunn entlang
rannte. Ronny, der nun vermehrt ihre Nähe suchte, trottete neben ihr her. Obwohl
er sich immer über ein wenig Auslauf freute, hatte Barbara das Gefühl, dass der
Hund momentan lieber zu Hause gewartet hätte, bis sein Herrchen zurückkehrte.
    In einer knappen halben Stunde würde sie die
kleine Kapelle inmitten eines dichten Nadelwaldes erreicht haben. Schon seit
sie denken konnte zog sie sich hierher zurück, wenn sie einen klaren Kopf
brauchte. Früher hatten hier regelmäßig Prozessionen stattgefunden, bei denen
sämtliche Dorfbewohner teils betend, teils schwatzend einen Spaziergang von
einer Kapelle im Ort bis zur Kapelle Heiligenbrunn unternahmen. Mit dem Wasser,
das aus dem Brunnen vor dem kleinen Gotteshaus kam, haben sich die Menschen
ihre Hände und das Gesicht befeuchtet. Unter den Leuten hielt sich hartnäckig
das Gerücht, dass dieses Wasser Blinde zum Sehen und Lahme wieder zum Gehen
bringen könnte und auch sonst allerlei Wunder vollbringen könnte. In der
Kapelle selbst klebten viele kleine, handgeschriebene Zettelchen ,
auf denen persönliche Dankesworte an die Mutter Gottes geschrieben waren, von
denen niemand so genau wusste, wer sie hier abgegeben hatte. Für Barbara waren
sie sichtbare Zeichen, dass hier tatsächlich Wunder geschehen waren. Jedes
aufgeschlagene Knie, jeder schmerzhaft eingewachsene Zehennagel und jeder
Bienenstich wurde hier liebevoll mit dem frischen, kalten Brunnenwasser
„behandelt“. Sie war sehr oft auch allein hierher gekommen ,
obwohl sie ein mulmiges Gefühl dabei hatte. Dichte Baumbestände tauchten manche
Wegstücke auch tagsüber in dämmriges Licht und die Geräusche der Vögel oder
anderer Waldtiere waren nicht selten Anlass dafür, dass sie einen Großteil der
Wegstrecke in noch schnellerem Laufschritt hinter sich gebracht hatte. Das
änderte aber nichts an der Tatsache, dass sie sich nach diesen Ausflügen stets
viel besser fühlte als zuvor.
    Ihr Discman spielte Entspannungsmusik, doch
die erwartete Gelöstheit wollte sich heute nicht einstellen. Julian war gestern
aus Deutschland zurückgekehrt. Sie hatte ihn nie vorher so verstört gesehen,
dabei konnte sie weiß Gott nicht behaupten, ihn noch nie in schlechter
Verfassung gesehen zu haben. Als er die Geschichte mit seinem Outing vor der
Familie durchgezogen hatte, war eine Welt für ihn zusammengebrochen. Monatelange,
tiefe Depression war dieser Aktion gefolgt und erst jetzt, sieben Jahre nach
diesem Lebenseinschnitt, schien er diese Krise halbwegs hinter sich gebracht zu
haben, obwohl das Heimweh noch immer schwer an ihm nagte. Niemand hätte daher gedacht,
wie sehr ihr Bruder in der Suche nach seinem verschwundenen Vater aufgehen
würde. Wie schnell er dessen Ungerechtigkeiten von sich schieben konnte.
Barbara war überzeugt davon, dass Julian Frieden schließen wollte mit seinem
Vater, obwohl er selbst gar nie Krieg geführt hatte. Aber nun, noch bevor es
eine Chance für die beiden gegeben hätte, war alles zerstört. Die Aussagen des
Deutschen hatten alles zunichte gemacht. Julian wollte gleich heute wieder
zurück nach Graz, egal ob es Neuigkeiten vom Vater gab oder nicht. Wahrscheinlich
war er in der Zwischenzeit bereits wieder in

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