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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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ihrer Mutter
von den Mitteilungen der Exekutive zu erzählen, war sie doch so froh darüber
gewesen, dass es Anna offensichtlich wieder viel besser ging. Morgen sollte
sie, auf eigenen Wunsch, wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden, weil sie
davon überzeugt war, den Anforderungen der Situation nun wieder gewachsen zu
sein. Manchmal hatte Barbara das Gefühl, dass ihre Mutter, seit sie in der
Klinik war, die Tatsache regelrecht verdrängte, dass ihr Mann verschwunden war.
Sie war gut gelaunt, fragte wie es zu Hause so ging, erkundigte sich nach den
Kindern und nach Manfred und vergaß auch nie, Julian zu erwähnen. Wie froh sie
nicht wäre, dass er endlich wieder ein wenig länger in Irdning geblieben wäre. Anna
erzählte, wie rührend sich auch die übrigen Geschwister täglich bei ihr
meldeten und dass sie ein wenig traurig wäre, sie nicht öfter sehen zu können. Margit
und Gerald hatten sie auch bereits besucht und Karoline war erst heute mit
Anhang bei ihr gewesen. Sogar Erwin und seine Familie hatten für nächste Woche
einen Kurzbesuch angekündigt und darauf freute sie sich schon ganz besonders.
Warum sie die weite Reise von Berlin nun so kurzfristig planten, wo doch sonst
die Firma bankrott zu gehen drohte, wenn Erwin einige Tage nicht anwesend war, schien
Anna außer Acht zu lassen. Das Thema Franz wurde praktisch seit Tagen nicht
mehr angesprochen. Obwohl Barbara zugeben musste, dass es auch ihr ganz recht
war, nicht darüber sprechen zu müssen. Morgen aber würde sich das Problem nicht
mehr aufschieben lassen. Wenn sie wieder in ihren vier Wänden war, würde es ihr
wieder so ergehen, wie es Barbara erging – alles würde daran erinnern, dass
jemand fehlte. Jemand der mit seiner mürrischen Art, das Leben auf dem Hof
geprägt hatte und den man sich trotzdem nicht wegdenken konnte und mochte. Was
wird Mutter sagen, wenn sie die Geschichte von dem Deutschen erfährt. Wenn sie
gleichzeitig die große Lebenslüge ihres Mannes und die endgültige Abwendung
Julians von seinem Vater hinnehmen muss? Wieder schossen heiße Tränen über
Barbaras Wangen. „Das kann Julian doch nicht bringen!“, schluchzte sie. Sie
hatte inzwischen Heiligenbrunn erreicht. Erst jetzt bemerkte sie, dass der
Walkman längst aufgehört hatte zu spielen. Triefend nass schob sie den Riegel
zum Kapelleneingang zur Seite. Der Hund schien ihren Seelenzustand zu spüren.
Er wich nun nicht mehr von ihrer Seite und spazierte neben ihr in die Kapelle.
„Komm ruhig mit,“ dachte sie, „du bist schließlich auch ein Geschöpf Gottes und
hast als solches das gleiche Recht wie ich, hier herinnen zu weilen.“ Der kleine Altar, den man vom Eingang her mit einigen, wenigen
Schritten erreichte, war unbeleuchtet. Barbara ergriff eine bereitliegende
Streichholzschachtel und entzündete drei kleine Kerzen. Sie kniete sich in die
erste Reihe der schmalen hölzernen Bänke und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
Andere Menschen hätten an dieser Stelle wahrscheinlich ein Vaterunser oder ein
ähnliches Gebet vor sich hingemurmelt, aber Barbara hatte ihre eigene Art mit
Gott, oder wie immer man die andere Seite nennen mochte, zu kommunizieren.
Obwohl sie als eingetragene Katholikin regelmäßig ihre Kirchensteuern berappte,
glaubte sie nicht alles, was man ihr im Religionsunterricht gelernt hatte. Sie
hatte immer versucht quer zu denken und zwischen den Zeilen zu lesen. Es gefiel
ihr, die Dinge so zu betrachten, dass sie zu allen Glaubensrichtungen zu passen
schienen. Das leise Flackern der Kerzen, das regelmäßige Hecheln des Hundes und
der Zauber dieses Ortes vermochten sie ein wenig zu beruhigen, obwohl sie unter
ihren nassen Kleidungsstücken fröstelte. Sie schloss die Augen und ließ ihren
Gedanken freien Lauf. Alle Ideen, und waren sie in ihren eigenen Augen noch so
verrückt, ließ sie zu, bis sie plötzlich wusste, was zu tun war.

Die Tür stand sperrangelweit offen. David lag
in seinem Zimmer auf der orangefarbenen Couch und rührte sich nicht. Es war
21.00 Uhr. Sein langes Haar hing strähnig und ungepflegt über sein Gesicht. Eva
musste sich abwenden, als sie sah, wie unablässig ein feiner Streifen Spucke
aus seinem leicht geöffneten Mund auf das helle Kissen floss. Der Geruch, der
ihr entgegen strömte, war eine Mischung aus Rauch, Alkohol und Erbrochenem.
    Er hatte wieder getrunken. Sie konnte es
nicht fassen. „Es war ein Fehler mit nach Deutschland zu fahren. Ich hätte ihn
nicht allein lassen dürfen!“ Eva machte sich

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