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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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des Lagezentrums. Doch wie er befürchtet hatte, konnte auch Petersens Handy in der Grube keinen Kontakt zum Netz aufnehmen. «Mist!» Er unterdrückte seinen Impuls, dasHandy in die Finsternis zu schleudern. «Ich guck mal, ob es irgendwo eine Stelle gibt, wo wir rausklettern können.»
    Steenhoff trennte sich vorsichtig von Petersen und stand auf. Er musste einen kurzen Moment lang mit seinem Gleichgewicht kämpfen, da es so dunkel war, dass er noch nicht einmal seine Füße sehen konnte.
    «Sprich mit mir», bat er seine Kollegin. «Dann bekomme ich eher ein Gefühl für die Richtung, in die ich mich bewege.»
    Tastend setzte er einen Fuß vor den anderen. Seine größte Sorge war, dass sich in dem Loch noch weitere Schächte oder Kanäle befanden, in die er stürzen könnte. Doch unter seinen Füßen spürte er nur weiche Erde.
    «Weißt du, dass es eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass ausgerechnet ich bei der Polizei gelandet bin», begann Navideh zögernd.
    «Nein, warum?», fragte Steenhoff, um das Gespräch am Laufen zu halten. Vorsichtig setzte er zum nächsten Schritt an. Er schätzte, dass er nicht weiter als einen Meter von ihr entfernt war. Ihre Stimme hatte etwas Beruhigendes. Er wagte es nicht, sich vorzustellen, wie es wäre, hier unten allein auszuharren.
    «Okay. Ich denke, es hört ja keiner zu», versuchte Navideh zu scherzen und senkte ihre Stimme: «Ich fürchte mich vor Mäusen. Und wenn ich eine Ratte sehe, komme ich in null Komma nix jede steile Wand hoch. Oder falle in ein tiefes Loch   …», fügte sie trocken hinzu.
    Steenhoff hörte sie leise aufstöhnen. «Was ist?»
    «Nichts. Ich habe nur gerade versucht, mich etwas bequemer hinzusetzen.»
    Mit weit ausgestreckten Armen setzte Steenhoff zum nächsten Schritt an.
    «Außerdem erwischt mich manchmal noch meine alte Agoraphobie», fuhr Petersen fort.
    Ihre Stimme schien plötzlich von rechts zu kommen. Er war von der gerade Linie abgewichen. «Was ist das?», fragte er gedankenverloren.
    «Die meisten Menschen kennen diese Phobie unter dem Begriff Platzangst. Aber eigentlich verbirgt sich dahinter die Panik, große, weite Plätze zu überqueren.»
    «Könnte bei einer Verfolgungsjagd durch die Stadt etwas hinderlich sein», gab Steenhoff zu bedenken. Navidehs Stimme schien jetzt wieder von hinten zu kommen.
    «Deswegen habe ich bei meiner Bewerbung bei der Polizei auch nichts darüber gesagt. Zum Glück haben sie mich auch nicht gefragt, ob ich unter Gephyrophobie leide.»
    «Du hast Angst vor Brücken?», fragte Steenhoff verblüfft und blieb stehen.
    «Nein, nicht mehr. Ich habe es mir vor Jahren abtrainiert. Aber woher kennst du diesen Ausdruck?», fragte Navideh nicht weniger überrascht.
    «Meine Tante Else, bei der ich als Kind aufgewachsen bin, hat leidenschaftlich gern Kreuzworträtsel gelöst. So weiß ich auch, dass ich von Glück reden kann, nicht unter Paraskavedekatriaphobie zu leiden.
    «Para   … was?»
    «Das ist die Angst vor Freitag, dem 13.   Das war ihr Lieblingsbegriff. Ich habe ihn tagelang geübt.»
    Endlich. Vor ihm lag eine Wand. Seine Hand fühlte kühle Erde. Während Navideh weiterredete, tastete er systematisch die Wand nach Vorsprüngen und dicken Wurzeln ab. Aber seine Finger fanden nichts Geeignetes, um sich daran hochzuziehen. Schritt für Schritt tastete er sich an der Wand entlang.
    «Du hast deine Position verändert», stellte Navideh fest.
    «Ja, ich versuche gerade, die Begrenzung unseres Gefängnisses abzuschätzen. Die Grube scheint oval oder halbrund und vor allem nicht allzu groß zu sein.» Steenhoff gab seiner Stimme einen beiläufigen Ton. «Ich denke, wir werden bis morgen früh warten müssen, um hier wieder rauszukommen.»
    Er drehte sich um und ließ sich auf alle viere nieder. Noch immer bestand die Möglichkeit, dass sich in der Grube ein Schacht befand, in den sie hineinstürzen konnten. Langsam kroch er in Richtung von Navidehs Stimme zurück. Als er ihr Bein berührte, schrie sie erschrocken auf.
    Er robbte sich an sie heran und spürte ihre Schulter an seinem rechten Oberarm.
    «Meinst du, sie werden uns suchen?»
    Er zuckte mit den Schultern. Als ihm bewusst wurde, dass sie die Geste nicht sehen konnte, fügte er schnell hinzu: «Ich hatte mich mit Ira zum Abendessen verabredet. Ich hoffe, sie wird nicht wütend ins Kino fahren, sondern besorgt Alarm schlagen.»
    «Warum sollte Ira wütend sein?»
    «Weil   …», er zögerte. «Weil sie in den vergangenen

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