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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Jahren schon oft auf mich warten musste. Sehr oft. Wie ist es mit dir, Navideh? Wartet jemand auf dich heute Abend?»
    «Ich hatte Jorges gesagt, dass ich vielleicht gegen 21   Uhr vorbeikomme und ihn auf ein Bier abhole.»
    «Vielleicht?»
    «Ich wusste ja nicht, wann wir fertig sein würden. Und außerdem   …» Sie ließ den Satz unbeendet.
    «Mistjob», fluchte Steenhoff leise. «Niemand wird uns heute Nacht vermissen, weil alle denken, dass wir mal wieder zu Unzeiten arbeiten.»
    Ein harter Erdklumpen drückte sich in Steenhoffs Schulter. Er rückte ein wenig zur Seite, um bequemer zu sitzen.
    «He, lass mich nicht allein», protestierte Navideh scherzhaft. Plötzlich fühlte sie, wie sie wieder ein heftiger Schwindel packte.
    Steenhoff, der nur ihren gepressten Atem hörte, nahm sie besorgt in den Arm. «Tut dein Kopf weh?»
    «Ja. Aber vor allem dreht sich gerade alles.»
    Ohne nachzudenken, zog er sie zu sich herüber, setzte sich hinter sie und hielt sie mit den Armen fest umschlossen. Er legte seine Hand auf ihre Stirn und murmelte: «Lehn dich einfach zurück und lass dich fallen.»
    Langsam ließ ihre Anspannung nach. Steenhoff erinnerte sich an den Schokoriegel, den er im Büro eingesteckt hatte. Er kramte ihn aus seiner Jacke hervor und gab ihn Navideh. Eine Strähne ihres langen Haares streifte sein Gesicht. Tief sog er ihren Duft ein. Er hatte Navidehs Geruch schon immer gemocht, doch hier in dieser dunklen Grube, so eng an ihn gedrückt, roch sie so gut wie noch nie.
    «Deine Hand auf der Stirn tut gut», sagte sie und senkte dabei ihre Stimme.
    «Ich habe mal irgendwo gelesen, dass das bei Gehirnerschütterung hilft», log Steenhoff. Er beugte sich vor und küsste zart ihre Wange.
    «Das auch?»
    «Ja, das soll auch helfen.»
    Sie machte ein Geräusch, das ihn an ihr typisches spöttisches Lachen erinnerte. Doch zu seiner Überraschung spürte er plötzlich ihre Lippen auf seinem Mund.
    «Es ist medizinisch indiziert», sagte Navideh entschuldigend.
    «Dann müssen wir da durch», antwortete Steenhoff mit gespieltem Ernst. Leidenschaftlich erwiderte er ihren Kuss.
     
    Andrea Voss fuhr sich mit ihren Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. Ein paar Sekunden lang schienen einzelne Büschel in alle Richtungen zu stehen. Ungeduldig, als hätte sie lange Haare, warf die Journalistin ihren Kopf nach hinten. Jede Friseurin hätte resigniert. Spätestens jetzt war kein Schnitt mehr zu erkennen.
    Andrea Voss blickte auf die Uhr an ihrem Computer: 20.30   Uhr. Besser jetzt stören und heftig diskutieren, als morgen auf der Pressekonferenz einen übelgelaunten Frank Steenhoff vor sich sitzen zu haben. Das war das Fazit ihres inneren Dialoges. Zum wiederholten Mal überflogen ihre Augen den Artikel, der am Montag im
Weser-Kurier
erscheinen sollte, als könnte sie das vor dem Anruf bei Steenhoff bewahren. Es fiel Andrea nicht leicht, sich bei ihm zu melden und ihn auf ihren Artikel vorzubereiten. Sie ahnte, dass er ihr massiv davon abraten würde. Im letzten Telefonat hatte er ihr unmissverständlich klargemacht, dass er keine Parallelen zwischen dem Doppelmord in den 90er Jahren und dem aktuellen Fall am Bunker Valentin ziehen wollte. Genau das hatte sie aber in ihrem Artikel getan. ‹Es ist meine verdammte Pflicht, darauf hinzuweisen›, rüstete sie sich gedanklich gegen seine Proteste. Irgendeine Verbindung musste es geben, wenn zwei tote Frauen aus demselben Kulturkreis an einem abgelegenen Ort gefunden wurden. Da konnte Steenhoff reden, wie er wollte, das musste thematisiert werden. Und zwar bereits morgen und nicht erst dann, wenn nach der Pressekonferenz auch andere Journalisten Lunte gerochen hatten.
    Gelegentlicher Ärger gehörte zu ihrem Geschäft dazu.Das wusste sie als erfahrene Polizeiredakteurin. Aber Steenhoff gegenüber hegte sie zu viel Sympathie, als dass sie ihn ohne Vorwarnung vor den Kopf stoßen wollte. Sie waren in all den Jahren immer fair miteinander umgegangen. Es half nichts, sie musste ihn anrufen.
    Andrea suchte in ihrem Handy nach seiner Nummer und wartete unruhig darauf, dass sich seine Stimme am anderen Ende meldete. Aber er schien sein Telefon abgestellt zu haben, obwohl sie sich angeblich gerade am Anfang der Ermittlungen befanden. Steenhoff ging auch nicht an seinen Dienstapparat im Präsidium.
    Andrea seufzte laut. Also musste sie es bei ihm zu Hause probieren. Mit zwei Handgriffen hatte sie seine Privatnummer aus ihrem Karteikasten herausgesucht.
    Ira Steenhoff war

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