Ehrenhüter
verbergen.
«Aber es ist auch teurer und weniger romantisch», hielt ihm Ira entgegen.
«Was soll denn am Holzhacken romantisch sein?»
«Die Esoterik-Fraktion in meinem neuen Yoga-Kurs würde dir erklären, dass es einen Menschen ungemein erdet, wenn er sich mit den Grundbedürfnissen beschäftigt. Und dazu gehören Essen, Geborgenheit und natürlich Wärme.» Sie öffnete die Klappe des Ofens und legte noch ein neues Scheit auf die Glut. Dann kam sie zu Steenhoff zurück, setzte sich auf seinen Schoß und lehnte sich mit einem genüsslichen Seufzer an.
«Aber hast du schon jemals zuvor diese Riesenaxt in der Hand gehabt?», fragte Steenhoff.
«Ja, ganz im Gegensatz zu dir», erwiderte Ira trocken. «Du wüsstest sicherlich noch nicht einmal, wo sie steht.»
«Im Geräteschuppen.»
«Falsch. Sie steht im Keller.»
«Okay, meine Frau geht also am Sonntagnachmittag Holz hacken, während ich im Büro herumsitze.»
«Du hast recht. Das klingt nicht sehr aufregend.»
«Aber ich fürchte, ich werde den ganzen Tag unter Hochspannung stehen, weil ich immer diese verfluchte Axt vor mir sehe, wie sie knapp an deinen hübschen Füßen vorbeisaust.» Er knetete sanft Iras Zehen und strich mit den Fingerspitzen an ihrem linken Knöchel entlang. «Willst du nicht lieber mit Katrin in aller Ruhe in die neue Landsauna in Lilienthal gehen? Die sollen dort wunderbare Massage-Angebote haben», sagte er lockend.
«Nein, wir fahren erst nach Grasberg raus, zerlegen den Baum und trinken dann einen heißen Punsch.»
«Okay», gab sich Steenhoff geschlagen. «Aber bitte haltet die geplante Reihenfolge ein und streitet euch nicht, sonst habe ich noch mehr Arbeit im Büro.»
Schmunzelnd erhob sich Ira. «Du kannst ja deinen Kollegen erzählen, dass deine Frau den verpatzten Sonntag erwartungsgemäß enttäuscht allein zu Hause verbringt und frustriert die ersten Weihnachtsplätzchen backt. Dann ist die Welt der Kriminalisten wieder im Lot.»
«Du pflegst deine Vorurteile», sagte Steenhoff und ärgerte sich, dass seine Stimme eine Spur zu scharf klang. «Das klassische Paar-Modell – er arbeitet, die Ehefrau wartet – gibt es schon lange nicht mehr bei der Polizei. Zumindest nicht in unserem Haufen. Navideh hat bis vor kurzem mit einer Frau zusammengelebt, Wessel ist solo, und Schneider lebt getrennt von seiner Familie, ist aber alle naselang bei ihnen zu Hause.»
«Vermutlich haben seine früheren Freundinnen nicht genug Holz gehackt.» Gut gelaunt sprang Ira auf und ging die Treppe hinauf. Auf der obersten Stufe drehte sie sich noch einmal um. «Wer macht Frühstück?»
«Du», schlug Steenhoff vor und tat, als verzöge er säuerlich den Mund. «Du weißt, ich bin Kriminalist. Ich hänge ein bisschen an den alten Rollen.»
«Kein Problem, ich bin ja sowieso hauptberuflich im Dienstleistungsgewerbe unterwegs. Ruh dich nur aus, bevor du gleich stundenlang im Büro herumsitzen musst. Deine liebe Frau duscht nur kurz, und dann wird sie ein leckeres Frühstück bereiten.»
Verwundert schaute Steenhoff ihr hinterher.
Ira liebte Wortgeplänkel. Oft gewann sie die verbalen Zweikämpfe, aber Steenhoff genoss es trotzdem. Ihre Lebendigkeit, die ständig neue Überraschungen barg, hatteihn vom ersten Tag an fasziniert. Allerdings hatte diese Seite auch anstrengende Facetten. Ira war immer bereit, Neues auszuprobieren, beruflich wie in ihrer Freizeit. Und so musste er sich ständig mit Aktivitäten und Ideen auseinandersetzen, auf die er selbst nicht im Entferntesten gekommen wäre. Zu dem japanischen Trommelabend im Überseemuseum war er kürzlich ohne Protest mitgegangen. Auch bei dem Wochenendkurs Tango Argentino hatte er noch gute Miene gemacht, obwohl er überzeugt war, nicht besonders gut tanzen zu können. Aber als Ira kürzlich Karten für eine Dichterlesung mit Musik aus dem 17. Jahrhundert besorgt hatte, streikte er.
Steenhoff stand aus seinem Sessel auf und schlenderte gemächlich in Richtung Küche, um den Tisch zu decken. Er hörte, wie die Badezimmertür im ersten Stock noch einmal aufging.
«Frank?»
«Ja?»
«Ich dachte, du könntest noch etwas für deine Rückenmuskulatur tun, bevor du bis heute Abend im Präsidium verschwindest.»
«Hm.»
«Die Geschirrspülmaschine muss noch ausgeräumt werden.»
Steenhoff unterdrückte einen Seufzer. Er hatte sich schon gewundert, dass Ira vorhin so schnell klein beigegeben hatte. Doch statt in die Küche, lief er nun mit großen Schritten die Treppenstufen hoch. Zehn
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