Ehrenhüter
überzeugt. «Und wie viele Meter liegen die Fundorte nun auseinander?»
«Beide Fundorte befinden sich im Deichvorland.» Steenhoff notierte sich die Antwort. «Wir lassen uns definitiv auf keine Meterangaben ein.»
Petersen nickte, setzte aber noch einmal nach. «Können Sie ausschließen, dass es eine Beziehung zu der Familie des früheren Opfers gibt? Und ist diese Familie schon befragt worden?»
Steenhoff spielte den Genervten: «Wer soll das denn jetzt sein? Die Frau von der
Bild
oder Andrea Voss?»
Navideh zuckte mit den Achseln. «Ehrlich gesagt fallen mir für diese Frage auch noch ein paar andere Kandidaten ein. Denk an den Typ von der
Zack
bei unserer letzten Pressekonferenz oder den Mann von der
taz
mit den roten Haaren. Also, was sagen wir dann?»
«Uns ist derzeit nicht bekannt, dass es eine Beziehungzwischen beiden Familien gibt», schlug Steenhoff vor. «Dann können wir noch hinzufügen, dass Yasemins Familie seit Jahren nicht mehr in Bremen lebt, sondern in Berlin.»
«Und wenn die Journalisten konkret wissen wollen, ob die Familie schon vernommen wurde?»
Steenhoff zögerte. «Dann bleiben wir vage und sagen, dass wir noch in den Anfängen der Ermittlungen stecken und diverse Spuren verfolgen und auch die Unfalltheorie noch nicht völlig ad acta gelegt ist. Aber sobald Block mit der Überprüfung von Osmans Liste mit den Jungennamen fertig ist, sollte er mit Wessel nach Berlin fahren und die Familie unter die Lupe nehmen.» Er machte eine Pause.
«Was ist, woran denkst du?», hakte Navideh nach.
«Zwei junge Frauen, beide mit türkischen Wurzeln, werden an einem ungewöhnlichen Ort getötet oder tot abgelegt. Beide haben ihren Eltern nicht gehorcht und mit Tabus gebrochen. Ich frage mich, ob dieses Gelände oder der Bunker Valentin für etwas steht, was wir noch nicht sehen. Vielleicht für einen Ort der Strafe?»
«Damit wärst du wieder bei den Cetins», stellte Navideh fest.
«Nilgüns Brüder und ihr Vater zählen für mich weiterhin zu den Hauptverdächtigen, trotz der SMS an Roman», erwiderte Steenhoff nachdenklich.
Navideh goss sich eine dritte Tasse Tee ein und versuchte sich auf die nächste Frage zu konzentrieren.
Kurz vor ihrem Besprechungstermin hatten sie schließlich alle erdenklichen Varianten notiert. Auf einem weiteren Zettel standen die Fragen an potenzielle Zeugen, die die Journalisten in ihren Beiträgen und Artikeln weitergeben sollten. Möglicherweise hatte jemand die Cetins am Dienstagmorgen vor Nilgüns Schule bemerkt, oder jemand konntesich daran erinnern, dass die Männer der Familie an dem Abend, als Nilgün verschwand, nach ihr gesucht hatten. Letztlich würde es nichts endgültig beweisen, doch Steenhoff bezweifelte, dass Kemal Cetin so abgebrüht war, erst seine Tochter zu töten und anschließend falsche Fährten zu legen. Hätte er dann nicht das Offensichtliche getan und Nilgün bei der Polizei als vermisst gemeldet? Auf der anderen Seite verabscheute er seine älteste Tochter für ihren Ungehorsam so sehr, dass er ihr sogar im Tod nicht verzieh und sich von ihr lossagte. So einem Menschen war alles zuzutrauen, zumal er offenbar auch gegenüber Saliha gewalttätig geworden war.
Steenhoff unterdrückte ein Seufzen. Die Cetins lebten in einer anderen Gedanken- und Gefühlswelt. Er musste sich eingestehen, dass er sich auch nach all den Jahren als Ermittler nicht in einen Vater hineinversetzen konnte, der sich aus verletztem Ehrgefühl weigerte, seiner toten Tochter in der Rechtsmedizin ins Gesicht zu schauen.
Es klopfte an der Tür. Bevor Steenhoff etwas sagen konnte, stand Wessel im Zimmer. «Meinetwegen können wir loslegen.»
Fabian Block hatte den Vormittag genutzt, um Max Hintemann und einen weiteren Jungen von der Liste zu überprüfen. Wessel war in Bremerhaven gewesen, um Nilgüns Onkel, Ayub Cetin, zu befragen. Saliha hatte seinen Namen gegenüber Navideh mehrfach in ihrem Gespräch auf dem Schulhof erwähnt. Kemal Cetin hatte einen guten Kontakt zu seinem ältesten Bruder. Aber auch Nilgün und Saliha mochten ihre Tante und eine der Cousinen sehr. Vielleicht hatten diese etwas von dem Drama mitbekommen, das sich seit Montag bei ihren Verwandten in Bremen abspielte. Doch zunächst sollte Fabian Block beginnen.
«Max Hintemann ist 18 Jahre alt, lebt bei seinen Eltern in Blockdiek und ist eine Klasse weiter als Nilgün», begann Block. Obwohl er zu den jüngsten in der Mordkommission gehörte, brachten ihm Steenhoff und seine älteren
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