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Ehrensache

Titel: Ehrensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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fühlte er sich
erschöpft, müde in den Knochen und müde im Kopf. Deshalb lehnte er Holmes' freundliche Einladung
zu einem Drink ab und verschwendete noch nicht mal einen Gedanken daran, wohin er gehen sollte.
Er machte sich auf den Weg nach Oxford Terrace, in die fürsorglichen Arme von Dr. Patience Aitken
- und nicht zu vergessen zu Lucky, dem Kater, zu den Wellensittichen, die Frauen hinterher
pfiffen, den tropischen Fischen und dem zahmen Igel, den er immer noch nicht gesehen hatte.
Am Mittwochmorgen rief Rebus als Erstes bei Gregor Jack an. Jack klang müde, nachdem er den
gestrigen Tag im Parlament und den Abend bei irgendeiner »grotesken Veranstaltung verbracht hatte
- das können Sie ruhig wörtlich nehmen«. Es lag eine neue, aber ganz und gar falsche Herzlichkeit
in seiner Stimme, zweifellos hervorgerufen durch das gemeinsame Erlebnis mit der Mülltonne.
Müde war Rebus allerdings auch. Der eigentliche Unterschied zwischen ihnen lag in der
Gehaltsgruppe.
»Haben Sie irgendetwas von Ihrer Frau gehört, Mr. Jack?«
»Nichts.«
Da war dieses Wort schon wieder: Nichts.
»Und gibt's bei Ihnen irgendetwas Neues?«
»Nein, Sir.«
»Nun ja, keine Nachricht ist besser als eine schlechte Nachricht, so heißt es doch immer. Apropos
schlechte Nachricht, ich hab heute Morgen in der Zeitung gelesen, dass diese arme Frau von der
Dean Bridge ermordet wurde.«
»Ich fürchte, ja.«
»So etwas lässt meine eigenen Probleme in einem anderen Licht erscheinen, nicht wahr? Allerdings
findet heute Morgen eine Wahlkreisversammlung statt, könnte also sein, dass meine Probleme gerade
erst anfangen. Sie sagen mir Bescheid, ja? Ich meine, wenn Sie irgendetwas erfahren.«
»Selbstverständlich, Mr. Jack.«
»Danke, Inspector. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen, Sir.«
Alles sehr förmlich und korrekt, so wie die Beziehung zwischen ihnen auch sein sollte. Da war
noch nicht mal Platz für ein »Viel Glück bei der Versammlung«. Er konnte sich gut vorstellen,
worum es bei der Versammlung gehen würde. Die Leute mochten nicht, wenn ihr Abgeordneter in einen
Skandal geriet. Es würden Fragen gestellt werden.
Und es würden Antworten gegeben werden müssen...
Rebus öffnete seine Schreibtischschublade und nahm die Liste von Elizabeth Jacks Freunden heraus,
von ihrem »Kreis«. Jamie Kilpatrick, der Antiquitätenhändler (und offenbar das schwarze Schaf
seiner adeligen Familie); die Honourable Matilda Merrimen, berüchtigt wegen der Nacht, die sie
angeblich nonstop mit einem ehemaligen Kabinettsmitglied durchgebumst haben soll; Julian Kaymer,
irgendein Künstler; Martin Inman, von Beruf Großgrundbesitzer; Louise Patterson-Scott, getrennt
lebende Ehefrau des Einzelhandelsmillionärs...
Ein bekannter Name nach dem anderen, die meisten von ihnen, wie Jack sich ausgedrückt hatte,
während er die Liste zusammenstellte, »angegraute Bohemiens und Schmarotzer«. Größtenteils altes
Geld, ganz wie Chris Kemp gesagt hatte, und meilenweit von Gregor Jacks eigener »Meute« entfernt.
Doch es gab eine Kuriosität, eine scheinbare Ausnahme. Das hatte selbst Rebus bemerkt, als Gregor
Jack den Namen auf die Liste setzte.
»Was? Der Barney Byars? Der Typ mit den verdreckten Lkws?«
»Der Transportunternehmer, ja.«
»Ein bisschen deplatziert in dieser Gesellschaft, finden Sie nicht?«
Jack hatte das eingeräumt. »Barney ist eigentlich ein alter Schulkumpel von mir. Aber mit der
Zeit hat er sich immer mehr mit Liz angefreundet. So was passiert manchmal.«
»Trotzdem kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, wie er mit diesen Leuten auskommen...«
»Sie würden sich wundern, Inspector. Glauben Sie mir, Sie würden sich wundern.« Jack sagte das
sehr nachdrücklich, damit Rebus nur ja keinen Zweifel hätte, dass er auch meinte, was er sagte.
Trotzdem... Byars war noch jemand aus Fife, der es zu was gebracht hatte, ein weiterer berühmter
Sohn aus der Region. In der Schule hatte er sich als Tramper einen Namen gemacht. Oft behauptete
er, er hätte das Wochenende in London verbracht, ohne einen Penny für die Fahrt auszugeben.
Nach der Schule machte er erneut von sich reden, als er durch ganz Frankreich, Italien,
Deutschland und Spanien trampte. Er war zum totalen Lkw-Fan geworden, begeisterte sich für alles,
was mit dem Transportgeschäft zusammenhing; also sparte er, machte den Lkw- Führerschein und
kaufte sich einen Laster... und nun war er, soweit Rebus wusste, der größte unabhängige
Transportunternehmer. Sogar

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