Ehrensache
ab?«
»Genau.« Holmes blickte sich um. »Hier ist es wie in einem Backofen. Könnten wir nicht das
Fenster aufmachen?«
»Völlig verklemmt und die Heizung...«
»Ich weiß, entweder volle Pulle oder nichts. Dieses Gebäude...« Holmes schüttelte den Kopf.
»Mit ein paar Renovierungsarbeiten würde man das schon wieder hinkriegen.«
»Merkwürdig«, sagte Holmes. »Ich hätte Sie nie für einen sentimentalen Typ gehalten...«
»Sentimental?«
»Wegen diesem Gebäude. Von mir aus können wir noch heute nach St. Leonard's oder Fettes
ziehen.«
Rebus rümpfte die Nase. »Ohne Charakter.«
»Apropos, gibt's was Neues über das unehrenhafte Mitglied? «
»Dieser Witz ist allmählich ziemlich abgedroschen, Brian. Fällt Ihnen denn gar nichts Neues mehr
ein?« Rebus atmete geräuschvoll durch die Nase aus und warf den Kugelschreiber, mit dem er
herumgespielt hatte, auf den Tisch. »Außerdem meinen Sie wohl eher«, sagte er, »ob es was Neues
über Mrs. Jack gibt, und die Antwort ist: nein, absolut nichts. Ich habe eine Beschreibung
von ihrem Auto rausgegeben, und sämtliche Luxushotels werden überprüft. Bisher jedoch
nichts.«
»Woraus wir schließen...?«
»Gleiche Antwort: nichts. Sie könnte sich in ein spirituelles Zentrum auf der Insel Iona
zurückgezogen haben, zu einem gälischen Kleinbauern gezogen sein oder sich in den Kopf gesetzt
haben, sämtliche Berge der Munros zu besteigen. Sie könnte stinksauer auf ihren Mann sein oder
gar nichts von der Sache wissen.«
»Und das ganze Zeug, das ich gefunden hab, das Großreinemachen im Sexshop?«
»Was soll damit sein?«
»Nun ja...« Holmes schien um eine Antwort verlegen.
»Eigentlich nichts.«
»Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, Sergeant. Eigentlich nichts. Und im Übrigen muss
ich jetzt sehen, dass ich mit meiner Arbeit weiterkomme.« Rebus legte mit ernster Miene eine Hand
auf den Stapel von Berichten und Aufzeichnungen vor ihm. »Wie sieht's denn bei Ihnen aus?«
Holmes war inzwischen aufgestanden. »Oh, ich bin auch ganz gut beschäftigt, Sir. Machen Sie sich
um mich bitte keine Sorgen.«
»Natürlich mache ich mir Sorgen, Brian. Sie sind für mich wie ein Sohn.«
»Und Sie sind für mich wie ein Vater«, antwortete Holmes. »Je weiter ich von Ihnen weg bin, umso
einfacher kommt mir mein Leben vor.«
Rebus knüllte ein Blatt Papier zu einer Kugel, doch die Tür war bereits geschlossen, bevor er
richtig zielen konnte.
An manchen Tagen konnte man selbst in diesem Job lachen. Na ja, wenigstens grinsen. Wenn er jeden
Gedanken an Gregor Jack verdrängen könnte, dann wäre ihm noch leichter ums Herz. Wo Jack jetzt
wohl sein mochte? Im House of Commons? Bei einer Ausschusssitzung? Oder wurde er gerade von
irgendwelchen Geschäftsleuten und Lobbyisten hofiert? Das schien jedenfalls Welten von Rebus'
Büro entfernt zu sein, von seinem Leben.
William Glass... nein, der Name sagte ihm nichts. Bill Glass, Billy Glass, Willie Glass, Will
Glass... nichts.
Wohnhaft in Semple Street 48. Moment mal... Semple Street in Granton. Er ging zu seinem
Aktenschrank und holte die entsprechende Akte heraus. Ja, erst letzten Monat.
Messerstecherei in Granton. Eine böse Verletzung, aber nicht tödlich. Das Opfer hatte in der
Semple Street 48 gewohnt. Jetzt erinnerte sich Rebus wieder. Ein in möblierte Zimmer aufgeteiltes
Haus, alle Zimmer zur Miete. Ein möbliertes Zimmer. Wenn William Glass in der Semple Street 48
wohnte, dann wohnte er in einem möblierten Zimmer. Rebus griff nach seinem Telefon, rief
Lauderdale an und erzählte ihm von seiner Entdeckung.
»Irgendwer hat für ihn gebürgt, als ihn der Streifenwagen dort absetzte. Den Beamten wurde
versichert, dass er dort wohnte, und anscheinend tut er das auch. Sein Name ist tatsächlich
William Glass, wie er gesagt hat.«
»Ja, aber diese möblierten Zimmer werden kurzfristig vermietet. Die Mieter kriegen ihren Scheck
vom Sozialamt, geben die Hälfte von dem Geld dem Vermieter, vielleicht auch mehr als die Hälfte,
keine Ahnung. Was ich damit sägen will, das ist keine besonders vertrauenswürdige Adresse. Er
könnte jederzeit von dort verschwinden.«
»Warum plötzlich so misstrauisch, John? Ich dachte, Sie wären der Meinung gewesen, dass wir
sowieso unsere Zeit mit ihm verplempern würden?«
Ja, Lauderdale verstand es immer, die richtige Frage zu stellen, die Frage, auf die Rebus in der
Regel keine Antwort hatte.
»Das stimmt, Sir«, sagte er. »Dachte bloß, ich mach Sie darauf
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