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Ehrensache

Titel: Ehrensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ihren alten Freund nicht
vergessen. Niemand nennt mich mehr Gowk. Und auch Liz Jack hatte ihn besucht, wenn auch
unter ihrem Geburtsnamen und einem leicht veränderten Vornamen. Er konnte das verstehen, denn die
Presse hätte ihre Freude daran gehabt. Besuche der Frau eines Abgeordneten bei verrücktem Mörder.
All diese komplizierten Abhängigkeiten. Sie konnte nicht ahnen, dass die Zeitungen ihre große
Geschichte haben würden...
»Hätten Sie vielleicht Interesse«, sagte Dr. Forster, »sich am Ende Ihres Besuchs einige unserer
Einrichtungen anzusehen? Schwimmbecken, Turnhalle, Werkstätten...«
»Werkstätten?«
»Einfache mechanische Arbeiten. Kleinere Autoreparaturen und Ähnliches.«
»Soll das heißen, Sie geben den Patienten Schraubenschlüssel und Schraubenzieher?«
Forster lachte. »Und hinterher sammeln wir alles wieder ein und zählen es durch.«
Rebus kam ein Gedanke. »Sagten Sie was von Autoreparaturen? Es könnte nicht zufällig mal jemand
nach meinen Scheibenwischern sehen?«
Forster fing wieder an zu lachen, doch Rebus schüttelte den Kopf.
»Das war ernst gemeint«, sagte er.
»Dann werd ich mal sehen, was wir tun können.« Forster stand auf. »Ich bin bereit, wenn Sie es
sind, Inspector.«
»Ich bin auch bereit«, sagte Rebus, der sich dessen gar nicht so sicher war.
Es waren viele Flure zu durchqueren, und der Krankenpfleger, der Rebus zur Kinnoul-Station
bringen sollte, musste unzählige Türen auf- und wieder zuschließen.
Ein schwerer Schlüsselbund baumelte an seinem Gürtel.
Rebus versuchte, ein Gespräch anzufangen, doch der Pfleger antwortete äußerst wortkarg. Es gab
nur einen kleinen Zwischenfall. In einem der vielen Flure tauchte aus einer offenen Tür plötzlich
eine Hand auf und klammerte sich an Rebus. Ein kleiner, älterer Mann versuchte, etwas zu sagen.
Seine Augen leuchteten, sein Mund machte immer wieder kleine hilflose Bewegungen.
»Zurück in dein Zimmer, Homer«, sagte der Pfleger und löste die Finger von Rebus' Jackett. Der
Mann trippelte in den Raum zurück. Rebus wartete einen Augenblick, bis sich sein Herzschlag
beruhigt hatte, dann fragte er: »Warum nennen Sie ihn Homer?«
Der Pfleger sah ihn an. »Weil er so heißt.« Schweigend gingen sie weiter.
Forster hatte Recht gehabt. Man hörte kaum Raunen und Stöhnen oder plötzliche Schreie, die einem
das Blut in den Adern gefrieren ließen. Überhaupt gab es nur wenig Anzeichen für irgendwelche
Aktivitäten, geschweige denn von Gewalt. Sie gingen durch einen großen Raum, wo Leute Fernsehen
schauten. Forster hatte erklärt, dass das reguläre Fernsehprogramm nicht erlaubt wäre, weil es
nicht vorherbestimmt werden könnte. Stattdessen gab es eine tägliche Dosis an speziell
ausgewählten Videos. The Sound of Music schien zu den besonderen Favoriten zu
gehören.
Die Patienten sahen mit stiller Faszination zu.
»Bekommen sie Medikamente?«, wagte sich Rebus vor.
Der Krankenpfleger wurde plötzlich gesprächig. »So viele, wie wir ihre Kehle runterkriegen. Dann
machen sie keine Dummheiten.«
So viel zum Thema Fürsorglichkeit...
»Da ist nichts gegen einzuwenden«, sagte der Pfleger, »wenn man ihnen Medikamente gibt. Steht
alles im MHA.«
»MHA?«
»Mental Health Act. Der erlaubt Beruhigungsmittel als Teil des therapeutischen Prozesses.«
Rebus hatte den Eindruck, dass der Pfleger eine kleine Verteidigungsrede hielt, die er für
Besucher vorbereitet hatte, die unangenehme Fragen stellten. Er war ein kräftiger Typ, nicht
groß, aber breitschultrig und mit reichlich Muskeln an den Armen.
»Machen Sie Krafttraining?«, fragte Rebus.
»Wer? Die da?«
Rebus lächelte. »Ich meinte Sie selbst.«
»Ach so.« Ein Grinsen. »Yeah, ich mach so `n bisschen Gewichtheben. In den meisten Institutionen
dieser Art sind alle Einrichtungen für die Patienten, und für das Personal gibt's nichts. Aber
hier haben wir eine ziemlich gute Sporthalle, yeah, echt ziemlich gut. Hier entlang...«
Eine weitere Tür wurde aufgeschlossen, dahinter lag ein weiterer Flur und von dem wies ein Schild
auf eine weitere Tür - unverschlossen -, die zur Kinnoul-Station führte.
»Hier herein«, befahl der Wächter. Seine Stimme war energisch geworden. »Okay, geh zur
Wand.«
Einen Augenblick glaubte Rebus, der Pfleger spräche mit ihm, doch dann sah er, dass der
Befehl einem großen, dünnen Mann galt, der von seinem Bett aufstand, zur Wand am anderen Ende des
Raums ging und sich dann zu ihnen umdrehte.
»Hände an die Wand«,

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