Ehrensache
dazu ein Teller mit vier Vollkornkeksen.
Corbie schien ganz entspannt auf seinem Stuhl zu sitzen, trotz der harten Lehne. Er hatte ein
Bein über das andere geschlagen und rauchte eine weitere Zigarette. Knox hatte alle Plätzchen
gegessen...
»Also gut«, sagte Rebus, »kommen wir zu der Mikrowelle.«
Die Sache mit der Mikrowelle war einfach. Die Mikrowelle war ein weiterer Schatz, wieder am
Straßenrand gefunden. »Du erwartest doch nicht, dass wir dir das glauben?«, bemerkte Knox
höhnisch. Doch Rebus konnte es sich vorstellen.
»Es ist wahr«, sagte Corbie gelassen, »ob Sie's glauben oder nicht, Sergeant Knox. Ich war heute
Morgen mit dem Auto unterwegs, und da hab ich das Ding im Straßengraben liegen sehen. Ich konnte
es kaum glauben. Irgendwer hatte es einfach dorthin geschmissen. Sah ganz brauchbar aus, also
dachte ich, ich nehm's mit nach Hause.«
»Und warum hast du es dann versteckt?«
Corbie rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Meine Ma hätte bestimmt geglaubt, ich hätt's
geklaut. Jedenfalls hätte sie mir niemals geglaubt, dass ich's gefunden hab. Also hab ich
gedacht, ich versteck's vor ihr, bis mir irgend `ne Geschichte dazu einfällt...«
»Letzte Nacht hat es einen Einbruch gegeben«, sagte Rebus, »in der Deer Lodge. Kennen Sie das
Haus?«
»Das gehört diesem Abgeordneten, dem aus dem Bordell.«
»Sie kennen es also. Ich glaube, dass die Mikrowelle bei dem Einbruch gestohlen wurde.«
»Aber nicht von mir.«
»Nun ja, das werden wir bald wissen. Im Haus wird ebenfalls alles eingestaubt und nach
Fingerabdrücken abgesucht.«
»Ihr habt's aber mit dem Staub«, bemerkte Corbie. »Ihr seid ja schlimmer als meine Ma.«
»Kann schon sein«, sagte Rebus und stand auf. »Eine Sache noch, Alec. Haben Sie Ihrer Mutter von
dem Wagen erzählt?«
»Nicht viel. Hab gesagt, ich würd ihn für `nen Freund unterstellen.«
Nicht dass sie das geglaubt hätte. Doch wenn sie ihren Sohn verlor, verlor sie auch ihren
Bauernhof.
»Na schön, Alec«, sagte Rebus, »wird Zeit, dass wir das alles schriftlich festhalten. Genau so,
wie Sie es uns erzählt haben. Sergeant Knox wird Ihnen dabei helfen.« An der Tür hielt er inne.
»Und wenn wir dann immer noch nicht davon überzeugt sind, dass Sie uns die Wahrheit gesagt haben
und nichts als die Wahrheit, dann müssen wir uns vielleicht mal ein bisschen über Trunkenheit am
Steuer unterhalten, alles klar?« Es war eine lange Fahrt zurück zu Mrs. Wilkie, und Rebus
bedauerte, dass er sich nicht ein Quartier in Dufftown gesucht hatte. Aber immerhin gab ihm das
Zeit zum Nachdenken. Er hatte von der Wache aus angerufen und einen ganz speziellen Termin auf
morgen früh verschoben.
Also hatte er den restlichen Tag zur freien Verfügung. Die Wolken hingen tief über den Bergen. So
viel zum Thema schönes Wetter. Genauso hatte Rebus die Highlands in Erinnerung, finster und
abweisend. Furchtbare Dinge waren hier in der Vergangenheit geschehen, Massaker und
Vertreibungen, Blutfehden, so grausam man sie sich nur vorstellen konnte. Sogar Fälle von
Kannibalismus, glaubte er, sich zu erinnern. Furchtbare Dinge.
Doch wer hatte Liz Jack getötet? Und warum? Der Ehemann geriet immer als Erster in Verdacht. Nun
ja, mochten andere ihn verdächtigen. Rebus jedenfalls glaubte nicht daran. Warum nicht?
Warum nicht?
Sehen wir uns doch mal sein Alibi an. Am fraglichen Mittwochmorgen war Jack bei einer
Wahlkreisversammlung gewesen, dann hatte er Golf gespielt, und am Abend hatte er irgendeine
Veranstaltung besucht... laut wessen Aussage? Laut Jack selbst und laut Helen Greig. Außerdem war
sein Auto weiß. Es konnte nicht für blau gehalten werden. Außerdem war jemand darauf aus, Jack in
fürchterliche Schwierigkeiten zu bringen. Diese Person musste Rebus finden... es sei denn,
diese Person war Liz Jack selbst gewesen. An diese Möglichkeit hatte er auch schon gedacht. Aber
dann waren da noch diese anonymen Anrufe... laut wem? Nur laut Barney Byars. Helen Greig hatte
nicht bestätigen können (oder nicht bestätigen wollen), dass es sie gegeben hatte.
Rebus wurde klar, dass er unbedingt noch einmal mit Gregor Jack reden musste. Hatte seine Frau
einen Liebhaber? Nach dem, was Rebus mittlerweile über sie erfahren hatte, musste die Frage wohl
eher lauten: Wie viele Liebhaber hatte sie gehabt? Einen? Zwei? Mehrere?
Oder bildete er sich ein vorschnelles Urteil über etwas, wovon er keine Ahnung hatte. Denn
schließlich wusste er so gut wie nichts über Elizabeth
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