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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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nachgeben, auf die es, wie er weiß, nicht ankommt, als in den Ruf derrücksichtslosen Härte zu geraten. Heißt das, die eigenen Interessen über die des Mandanten zu stellen? Vielleicht, aber wenn er im wesentlichen alles erreicht hat, was sein Mandant braucht, entsteht kein Schaden, sondern ein Nutzen, vielleicht sogar für den Mandanten. Steht der Berater erst einmal im Ruf der Rücksichtslosigkeit, könnte sich dieser Ruf auf den Mandanten übertragen, und das muß vermieden werden. Aber sobald der Berater den Abstand verliert, der ihm Abwägungen dieser Art ermöglicht, wird er nicht ruhen, bis er alles hat, auch den letzten Fetzen Fleisch und den letzten Tropfen Blut. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?
    Mehr oder weniger, sagte ich.
    Weniger Eifer, sagte Blondet, weniger Eifer. Könnten Sie doch diese beiden Worte Ihrem Freund Henry ins Ohr flüstern!
    Wollen Sie damit sagen, daß Henry in seiner Arbeit für Hubert übers Ziel hinausschießt?
    Das haben Sie gut formuliert.
    Dann sollten Sie ihm das selbst sagen, erwiderte ich. Wenn ich mit ihm darüber reden würde, müßte ich ihm weitergeben, was Sie mir erklärt haben, und dann würde er wissen wollen, warum Sie nicht selbst mit ihm gesprochen haben, und darauf müßte ich ihm antworten, daß ich es nicht weiß.
    Das wäre zu überlegen, sagte Blondet, wäre zu überlegen. Jedenfalls bin ich sehr froh, daß wir uns unterhalten haben.

XXX
    Meine Freundschaft mit dem japanischen Schriftsteller und die Aufenthalte in Kyoto kamen abrupt zum Ende. Ich reiste früher als sonst wieder nach New York zurück. Im Sommer kollabierte Tom mitten in einem Einzel auf dem Tennisplatz der Standishs vor Edies und meinen Augen. Ich brachte ihn in das Krankenhaus in Pittsfield und dann nach Boston ins Mass General. Nach drei Wochen im Koma war er tot. Damit verschwand der einzige ältere Freund, auf dessen Rat und Zuneigung ich mich immer verlassen hatte. Als Dr. Kalman sich zur Ruhe setzte, suchte ich einen neuen Analytiker in Manhattan auf, der wie sein Vorgänger bereit schien, sich auf meinen erratischen Terminplan einzulassen, aber ich wollte mich während dieser Trauerzeit lieber in seiner Nähe halten und in die Arbeit stürzen. Die Nachbarschaft von George und Edie war auch ein Argument dafür, die East 70 th Street wieder zu meinem Hauptwohnsitz zu machen, mit gelegentlichen langen Wochenenden in Lenox. Obwohl ich meinen Plan verwirklicht und mir ein kleines Apartment in Paris gekauft hatte, zog mich nichts dorthin. Ich konnte nicht einmal sagen, daß mir Henry fehlte, denn er kam häufig nach New York und fand immer Zeit für ein Abend- oder Mittagessen mit mir. Auch ein paar Monate nach Toms Tod war er in der Stadt. Ich hatte ihm nichts von Tom geschrieben, und er hatte den Nachruf in der New York Times, den die Herald Tribune nicht abdruckte, nicht gesehen. Als ich es ihm beim Essen erzählte, weinte er. Er faßte sich jedoch schnell wieder und erinnerte mich daran, wie amüsant Tom in alten Zeiten im Haus gewesen war, wenn er uns mit seinen Anekdoten von den Karolingern und Merowingern zum Lachen brachte. Nicht lange danach erfuhr ich, daß Henry einen ansehnlichen Betrag für den Stipendienfonds überwiesen hatte, der zum Andenken an Tom eingerichtet wurde und für den ich das Startgeld gegeben hatte.
    Daß er als Rechtsanwalt sehr erfolgreich war, ging aus seinen Erzählungen über Hubert de Sainte-Terres Unternehmen und aus George Standishs gelegentlichen neidischen Randbemerkungen hervor, und er wirkte zufrieden und wohlhabend. Mein Einblick in sein Privatleben war wegen seiner Zurückhaltung und meiner Abwesenheit von Paris begrenzt. Ich wußte, daß er noch in der Rue de Rivoli wohnte und daß er in Gesellschaft von Hubert, Gilberte und mit Hilfe der Skilehrerin der beiden ein sehr passabler Skiläufer geworden war. George meinte, er müsse sich irgendwo in der französischen Provinz ein Haus gekauft haben. So ging jedenfalls das Gerücht im Pariser Büro, wo Neugier mit leichtem Ärger gemischt war, weil er niemandem ein Wort darüber gesagt hatte. Trotzdem sprach es sich sofort herum, wenn er übers Wochenende in seinem Versteck war. Denn dann hinterließ er in seiner Abwesenheitsmitteilung nicht die Adresse und Telefonnummer einer der Sainte-Terre-Residenzen oder eines Hotels in London oder Venedig, sondern nur eine Telefonnummer – immer dieselbe – in Tours. Wenn das Büro versuchte, ihn unter dieser Nummer zu erreichen, schaltete sich ein

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