Ehrensachen
der Herr sie dabei erwischte: Verstümmelung für einen zerbrochenen Teller, Peitschenhiebe für verschütteten Wein und so weiter und so fort. Vielleicht hat sich seit den Kreuzzügen bei den Sainte-Terres ein ähnlicher Brauch immer vom Vater auf den Sohn weitervererbt, so daß sie ihn auf die Schreiber in ihren Diensten anwenden können.
Aber denkst du denn, es gibt keine Lösung? fragte ich.
Natürlich gibt es eine, sagte er, und ich kenne sie. Sie ist mir vor ein paar Tagen auf dem Heimweg vom Büro eingefallen. Ich habe hin und her überlegt, und Bingo, da war sie. Ich bin mir sicher, daß sie funktioniert. Sie hat sogar einen hübschen Steuervorteil, der vielversprechend aussieht.
Und hast du sie weitergegeben?
Noch nicht. Ich möchte den Plan eine Weile ruhen lassen und ihn dann noch einmal mit kühlem Blick betrachten. Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich denke, sie werden von meiner Idee begeistert sein, doch selbst wenn sie so gut funktioniert, wie ich glaube, ist sie politisches Gift. Also muß ich mir auch überlegen, wie ich ihnen zeigen kann, daß ich gefunden habe, was sie wollten, ihnen zugleich aber dringend raten, in ihrem eigenen Interesse die Finger davon zu lassen.
Danach, während wir über politische Entwicklungen in Frankreich und zu Hause redeten, fragte er plötzlich, ob ich nach Paris kommen könne. Jetzt, da er mit den schwierigsten rechtlichen und moralischen Problemen seines Berufslebens zu kämpfen habe, wünsche er sich einen wirklichen Freund an seiner Seite. In der Vergangenheit hatte ich mir gelegentlich vorgeworfen, daß ich ihn in Notlagen im Stich gelassen hatte, obwohl er mich gebraucht hätte. Den Fehler wollte ich nicht wiederholen. Ich steckte tief in der Arbeit an einem Roman, aber ich hatte den Eindruck, auch in Paris arbeiten zu können, wenn ich mein Apartment bezugsfertig machte. Ich versprach, in ein paar Tagen zu kommen. Am nächsten Morgen rief ich als erstes George im Büro an und sagte ihm, was ich vorhatte.
Henry und ich aßen am Abend meines Ankunftstages zusammen, und er sagte sofort: In zwei Punkten bin ich mir jetzt sicher: Ich weiß, wie es zu machen ist, und ich kann nicht zulassen, daß es so gemacht wird. Aber was die Kanzlei von meiner Taktik hält – einem Mandanten wie Hubert zu sagen, daß ich die Lösung seines Problems weiß, aber mein Wissen nicht anwenden will –, kann ich nicht einschätzen, und ich habe keine Ahnung, wie ich Hubert und diesen Irren Blondet dazu bringe, daß sie stillhalten. Weißt du, Blondet hat gequiekt wie ein angestochenes Schwein, damit es die ganze Stadt hört, als ob es irgend jemand einen Dreck schert, was er denkt. Er ist ein polytechnicien , wie eine Menge der Spitzenleute in der Regierung, und sie duzen sich alle, auch wenn sie sich überhaupt nicht näher kennen, ganz wie die Herzöge bei Balzac. Jedenfalls ist er bei den wichtigen Bürokraten herumgelaufen, um seinen Fall auszubreiten, und sie haben ihm alle gesagt, das kann er in die Tonne treten – oder wie immer sich ein französischer fonctionnaire im Zwiegespräch ausdrückt. Wie soll ich mein Problem angehen, was meinst du?
Ich sagte, im Moment wisse ich nicht genug, um eine Meinung zu haben. Ich sei mir nicht einmal sicher, ob ich verstanden hätte, warum er in einer Zwickmühle saß.
Das sehe ich ein, sagte Henry. Ich hatte gehofft, dir die obskuren Einzelheiten ersparen zu können; verständlich machen könnte ich sie sowieso nur an der Tafel. Also die entscheidenden Fakten. Erstens: Die meisten Vermögenswerte der l’Occident stecken in ihren nichtfranzösischen Unternehmen, die, bis auf ein paar nebensächliche Ausnahmen, nicht direkt, sondern nur mittelbar der französischen Bank gehören, da sie Eigentum einer niederländischenGesellschaft sind, die der französischen Bank gehört. Diese niederländische Gesellschaft nenne ich der Einfachheit halber Dutch Occident. Zweitens: Hubert de Sainte-Terre besitzt persönlich oder über die Banque de Sainte-Terre, deren Mehrheitsaktionär er ist, fünfundfünfzig Prozent der Banque de l’Occident. Er hat so schnell, wie es die Marktlage erlaubte, zusätzliche Anteile erworben. Drittens: Die französische Regierung hat zum Zweck der Verstaatlichung einen Preis angesetzt, das heißt, den Preis, zu dem die Anleger von l’Occident ihre Anteile zwangsweise an den Staat verkaufen müssen, aber viel zu niedrig, zur Hälfte oder höchstens zwei Dritteln ihres wirklichen Wertes. Henry machte eine Pause
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