Ehrensachen
sehr befriedigend sein, äußerte ich.
Ja, sagte Henry, ein Luxusleben hat er und Margot dazu: allerhand für einen eingebildeten, aufgeblasenen, geldgierigen Scheißkerl, der noch dazu gehässig ist. Aber ich sollte nicht klagen. Daß ich so viel Zeit mit Margot verbringe, macht ihm nichts aus. Ich darf mir die Krümel aufsammeln,die von seinem Tisch fallen. Wahrscheinlich sollte ich sogar dankbar sein, daß er sie nicht gut behandelt. Wenn es anders wäre, hätte sie vielleicht weniger Verwendung für mich.
Henry, fragte ich, gibt es keine Frau außer Margot?
Er schüttelte den Kopf. Ich gehe mit anderen Frauen aus oder auch ins Bett, natürlich. Manche sind nett, manche weniger. Das sind leblose Beziehungen. Keiner von diesen Damen, nicht einmal denen, die ich am meisten schätze und achte, kann ich sagen, daß ich sie über alles liebe und heiraten möchte. Nicht solange Margot in der Rue Barbet de Jouy präsent ist.
Vielleicht verläßt sie ihn, wagte ich zu sagen. Sie hat nicht gelernt, die andere Wange hinzuhalten.
So weit ist es noch nicht, sagte Henry zögernd, aber das kann noch kommen, wenn er ihre Versuche, eine gute Mutter zu sein, weiter blockiert. Aber ganz gleich, was geschieht, mir wird es nicht helfen.
Warum? fragte ich.
Weil wir schon zu lange auf dem falschen Gleis sind.
Ich drängte ihn, mir das zu erklären, aber er schüttelte den Kopf; darüber reden wolle er nicht, sagte er. Es reicht, daß ich immer da bin, wenn ich gebraucht werde, und daß ich überhaupt gebraucht werde. So ist es eben, und ich kann es nicht ändern.
Der Empain-Effekt, sagte Henry. Deshalb fahren wir in diesem verfluchten Sherman-Tank.
Der Sherman-Tank war ein klobiger Mercedes, der zum Schutz gegen schweres Maschinengewehrfeuer, Bazookas und alle bekannten von Terroristen eingesetzten Autobomben gepanzert war. Hubert de Sainte-Terre hatte den Wagen zum Brüsseler Flughafen geschickt, um uns abholen und zu seiner riesigen Villa transportieren zu lassen. Henry wies mich auf bestimmte besondere Kennzeichen hin: Räder, dieso widerstandsfähig waren wie das Chassis, und ein Schaltpult mit vier Knöpfen, die dem Comte erlaubten, den Motor abzustellen und die Bremsen zu blockieren, eine Alarmsirene in Gang zu setzen, die kugelsichere Glasscheibe hochzukurbeln, die den Beifahrersitz vom Fahrer trennte, und die Autotüren und den Kofferraum zu schließen und zu öffnen, ohne vom Fahrer daran gehindert zu werden.
Primitiv im Vergleich zu dem, was Q zu bieten hat, sagte er, aber es verringert Huberts Nervosität. Er ist entschlossen, alle seine Finger zu behalten.
Unterwegs erzählte er mir die Geschichte von Baron Empain, dem Chef von Empain-Schneider, einem großen französischen Stahl- und Schwerindustrie-Unternehmen. Ein Namensvetter hatte den Palast von Heliopolis erbaut. Der gegenwärtige Baron war Anfang des Jahres beim Verlassen seiner Wohnung an der Avenue Foch entführt worden. Im Verlauf der Lösegeldverhandlungen hatten die Kidnapper eines Tages den kleinen Finger des Barons per Post an die Baronin geschickt, um ihr und den Beauftragten der Gesellschaft klarzumachen, daß es ihnen wirklich ernst war. Als ich in Kyoto war, hatte ich in der Zeitung, Herald oder Time, eine Notiz über l’affaire Empain gesehen, aber die Einzelheiten, die Henry mit offensichtlichem Genuß ausbreitete, entweder nicht gelesen oder wieder vergessen. Wie er erzählte, war der Baron, nachdem der Entführerring von der Polizei gesprengt war, irgendwann ohne seinen kleinen Finger in einem Pariser Metro-Bahnhof freigelassen worden, Lösegeld war nicht geflossen. Niemand habe ihn unbedingt wiederhaben wollen, sagte Henry. Der Fall und die Lebensweise des Barons hätten viele dubiose Aspekte gehabt, unter anderem riesige Spielschulden im Kasino von Aix-les-Bains oder vielleicht auch Enghien, gewaschenes Drogengeld und ähnliches. Auch über seine sexuellen Neigungen sei gemunkelt worden.
Der Fall Empain hat nicht das Geringste mit Hubert zu tun, fuhr Henry fort, mit leiser Stimme und vorsichtigen Formulierungen, denn, wie er sagte, wußte er nicht genau, ob die Sprechanlage des Fahrers abgeschaltet war; aber natürlich ziehen die Leute sofort die Parallele, daß er ebenfalls ein sehr wichtiger belgischer Unternehmer mit Adelstitel ist. Bis jetzt hat Hubert sein Privatleben frei von Skandalen gehalten. Dabei hilft es nicht wenig, daß die Frauen, mit denen er Affären hat, meist Damen der guten Gesellschaft sind. Und er agiert immer im
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