Ehrensachen
Rahmen der Gesetze. Sonst würde ich ihn nicht beraten. Natürlich ist er unglaublich beharrlich, wenn er sich einmal ein Ziel gesetzt hat – gewöhnlich den Erwerb eines Unternehmens, das nicht zum Verkauf steht. Darüber hinaus würde er gern als der reichste Mann auf dem Kontinent, vielleicht in ganz Europa, gelten. Der weitaus reichste in Belgien und wahrscheinlich in Frankreich ist er schon. Ich müßte wissen, an welchem Platz er in Deutschland steht, aber ich weiß es nicht. Zum Glück haben wir nicht alle die gleichen Ambitionen.
Daß Hubert – er forderte mich sofort auf, ihn so zu nennen – Gert Fröbe zum Verwechseln ähnlich sah, war nicht zu verkennen, nur hatte Hubert im Gegensatz zum Film- Goldfinger dichtes blondes, zu einem altmodischen militärischen Bürstenschnitt frisiertes Haar. Er mußte Haarpomade benutzen, anders konnte ich mir nicht erklären, daß es stramm aufrecht stand. Wenn sein Gesicht rot anlief, was nicht selten geschah, war die Wirkung verblüffend. Goldfinger verfügte, solange Bond ihn nicht reizte, über eine schulterklopfende, verschlagene Höflichkeit. Hubert war höflich auf eine mechanische und sehr effiziente Weise. Er stellte mich Gilberte vor, seiner Gräfin, die der Dame mit dem Einhorn glich, und marschierte dann mit mir von Gast zu Gast, jedem mit den gleichen Worten erklärend, daß ich nicht nur der berühmte amerikanische Autor vieler Romane sei, sondern auch Henrys Freund und ehemaliger College-Zimmergenosse. Auf meine literarischen Aktivitäten reagierten diese eleganten, meist adligen Gestalten, deren Titel Hubert ebenso deutlich aussprach wie ihre doppelten oder dreifachen Namen, fast ohne Unterschied mit einem kultivierten Lächeln und dem Versprechen, nach meinem neuen Roman Ausschau zu halten. Gilberte klang jedoch ehrlich, als sie versicherte, meinen jüngsten Roman habe sie nicht weniger gern gelesen als Corinne, Etiennes Frau, die auch auf der Party war. Daß Corinne wirklich ein Fan meiner Bücher war, wußte ich; seit Jahren schrieb sie mir darüber in ihrem hübschen Englisch anregende Briefe.
Falls Henry oder Hubert so naiv gewesen waren zu glauben, daß meine literarischen Erfolge die Sainte-Terre-Gäste beeindrucken würden, mußte ich sie enttäuschen. Für Henry traf das womöglich zu; er hatte meinen bescheidenen Ruhm zu viele Jahre lang hoffnungslos blauäugig überschätzt. Hubert dagegen mochte so raffiniert sein, daß er sich die Einladung genau zu diesem Zweck ausgedacht hatte: Henry sollte merken, daß seine Bedeutung im Rahmen dieses High-Society-Ereignisses vielleicht größer war als meine, und daß er, der unter seiner, Huberts, Anleitung zu einem Mann von Welt geworden war, sich von mir nicht unnötig stark beeindrucken lassen mußte. Das war meine Theorie; und als Hubert mich durch seinen Salon führte, wurde sie bestätigt. Nicht nur habe er Henry zu seinem wichtigsten Berater ernannt, ließ er mich wissen, sondern auch meinen Anspruch, Henrys bester Freund zu sein, werde er mir demnächst streitig machen. Ich war amüsiert und gab zur Antwort, daß es in meiner langen Bekanntschaft mit Henry immer mehr als einen Anwärter auf diese Stellung gegeben habe; er werde gegen mindestens zwei andere Kandidaten antreten müssen. Gut, sagte er, und drückte mir den Ellbogen. Ich freue mich auf den Kampf. Ich habe nochnie einen Preis gewonnen, nur um ihn dann mit jemandem zu teilen.
Als Romancier hatte ich zwar keine erkennbare Wirkung auf Huberts Gäste, aber von der Aura der Macht und Bedeutung, mit der Hubert Henry umgeben hatte, konnte man das nicht sagen. Ein schlagender Beweis dafür war, daß die Männer, die Hubert als seine Partner vorstellte, bei der Erwähnung meiner langjährigen Vertrautheit mit Henry plötzlich hellhörig wurden. Dieselbe Wachsamkeit müssen die Vorfahren dieser belgischen Edelleute gezeigt haben, wenn sie den engen Verbündeten eines Günstlings ihres Königs vor sich hatten. Ich wußte gerade soviel vom Sprachmuster mächtiger Unternehmer, daß ich Huberts Verwendung des Wortes »Partner« verstehen konnte: Er benutzte es als Ehrentitel, als Auszeichnung, die nur seinen hochrangigen Angestellten und gewissen Investoren zuteil wurde. Einer dieser »Partner«, einer, den die Begegnung mit mir offenbar nicht in dasselbe überschwengliche Entzücken versetzte wie seine Kollegen, war Jacques Blondet, der Direktor der Pariser Bank, den Henry erwähnt hatte. Blondet musterte mich kritisch und versicherte mir, er
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