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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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und fragte, ob ich ihm noch folgen könne.
    Ich nickte. Gut, sagte er, jetzt komme ich zu den rechtlichen Grundregeln. Erstens: Aufgrund des Verstaatlichungsgesetzes kann der französische Staat alle Anteilsinhaber, auch die ausländischen, dazu zwingen, zum angesetzten Preis zu verkaufen, wobei es ihnen natürlich vorbehalten bleibt, in einem Prozeß vor einem französischen Gericht einen angemessenen Gegenwert einzuklagen. Zweitens: Das Gesetz hat eine Lücke. Es enthält keine Bestimmung, die einer französischen Gesellschaft auf der Verstaatlichungsliste verbietet, ihre Vermögenswerte, besonders die ausländischen Vermögenswerte, noch kurz vor der Verstaatlichung zu verkaufen.
    Hier möchte ich etwas in Parenthese sagen, fuhr Henry fort. Nur ein Vollidiot würde das französische Unternehmen – das heißt, die französische Bank und alle ihre französischen Vermögenswerte einschließlich der Anteile an ihren ausländischen Unternehmen – kaufen wollen; er würde sein Geld aus dem Fenster werfen, denn sobald er Eigentümer der französischen Bank wäre, säße er in derselben Falle wie die französischen Anteilsinhaber. Der Staat könnte ihn zwingen, die Bank zu verkaufen. Er hätte nichts gewonnen.
    Ende der Parenthese, sagte Henry, nun komme ich zur Regel Nummer drei: Die Direktoren der französischen Bank sind verpflichtet, im Interesse der Aktionäre zu handeln. Konkret: Wenn die Direktoren die Entscheidung zwischen zwei Transaktionen haben, müssen sie diejenige wählen, die den Aktionären mehr Geld bringt, oder sie müssen sich darauf gefaßt machen, Schadensersatz zu zahlen. Das entspricht ungefähr der amerikanischen Bestimmung, bis auf einige wichtige Unterschiede, die aber in diesem Fall keine Rolle spielen.
    Er fragte wieder, ob ich ihm noch folgen könne, und wieder nickte ich hilflos.
    Leicht zu verstehen ist es nicht, sagte Henry, aber jetzt will ich dir den Ausweg aus Huberts Problem zeigen, den die Regierung mit Sicherheit nicht durch eine rechtliche Maßnahme versperren kann. Möchtest du ihn wirklich wissen?
    Ich sagte, ich könne es kaum erwarten.
    Also gut, sagte er. Die Banque de Sainte-Terre, Hubert und womöglich ein paar Freunde gründen eine niederländische Gesellschaft, nennen wir sie Dutch Sainte-Terre – niederländisch sollte sie aus Steuergründen sein, aber die erkläre ich dir nicht weiter, es würde dich nur langweilen. Huberts Leute verschaffen ihrer neugegründeten niederländischen Gesellschaft Zugriff auf so viel Geld, daß diese der Banque de l’Occident die Tochtergesellschaft Dutch Occident abkaufen kann – du erinnerst dich, daß Dutch Occident Eigentümerin der meisten nichtfranzösischen Unternehmen der l’Occident ist. Das Kaufangebot wird dem Vorstand von l’Occident zur Entscheidung vorgelegt. Selbstverständlich werden die Direktoren im Vorstand, die von Sainte-Terres Firmengruppe ernannt wurden, dem Verkauf zustimmen. Aber das Schöne an meinem Plan ist, daß die unabhängigen Direktoren gezwungen sind, ebenfalls dafürzu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten, sobald sie darauf hingewiesen wurden, daß sie auf Schadensersatz in riesiger Höhe verklagt werden, falls sie gegen den Verkauf stimmen. Warum?
    Ja, warum denn?
    Ganz einfach: weil Dutch Sainte-Terre den wirklichen Gegenwert zahlen wird und nicht den reduzierten Preis, der aus dem Kaufangebot der Regierung für l’Occident insgesamt erschlossen werden kann. Schön, nicht?
    Brillant! sagte und meinte ich.
    Hieb- und stichfest. Ein Jammer, daß ich Hubert den Trick nicht empfehlen kann.
    Warum denn nicht? Jetzt kann ich dir nicht mehr folgen.
    Weil es sehr gefährlich wäre. Hubert, die Sainte-Terre-Bank, auch Blondet, der ja keine Rolle spielt, wären in Frankreich Ausgestoßene, bis die Sozialisten abgewählt werden, und wer weiß, wann der Tag kommt. Die Regierung wird alles versuchen, um sie zur Strecke zu bringen. Ja, mit juristischen Mitteln könnten die Sozialisten die Transaktion nicht rückgängig machen, aber es wäre in Zukunft ausgeschlossen für Sainte-Terre-Unternehmen, in Frankreich Geschäfte abzuschließen oder sich auf irgendeinem Gebiet zu versuchen, auf das die gegenwärtige Regierung Zugriff hat; daran wäre gar nicht zu denken. Theoretisch könnten sie es aussitzen, aber nur, wenn sie sich von den Schikanen der Regierung nicht ins Bockshorn jagen lassen und wenn sie sich damit abfinden, daß sie in Frankreich keine Abschlüsse tätigen können, die eine stillschweigende

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