Ehrensachen
erhält Jean nichts aus dem Trust, und falls er sie überlebt, erbt er nichts davon –, konzentriert er sich darauf, wahrscheinlich zum Schaden seiner literarischen Produktion, mit ihrem Geld wertvolle Kunstwerke zu kaufen (Eulen nach Athen, wenn man die Sammlung kennt, die Margot geerbt hat, aber dem Metropolitan Museum vermachen will) und noch mehr höchst exquisite Immobilien zu erwerben. Er hat sie dazu gebracht, ein Anwesen in der Normandie zu kaufen und ein prächtiges Stadthaus in Versailles, das einem Minister Ludwigs XIV . gehört hatte. Sein Spiel ist nur allzu durchsichtig: Diese Vermögenswerte, die nicht zum Trust gehören, können unter Umständen an ihn gehen, wenn Margot vor ihm stirbt oder wenn er im Fall einer Scheidung eine saftige Abfindung für sich heraushandelt. Margot ist tief verletzt; diese Kränkung – und eine Kränkung ist es – könnte der Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt.
Und deine Hoffnungen? fragte ich.
Ich habe keine Hoffnungen, antwortete er. Aber vielleicht hat Margot eine: einen amerikanischen Filmemacher, den sie vor kurzem durch Jean kennengelernt hat; er ist zehn Jahre jünger als sie. Margot ist ganz hingerissen von ihm. So etwas merke ich ihr immer an.
Das tut mir leid, sagte ich.
Als ich nach Hause kam, fand ich eine Nachricht von Henry auf meinem Anrufbeantworter. Er müsse sich den nächsten Tag für Hubert freihalten. Ob wir am übernächsten Tag zusammen Mittag essen könnten? Ich rief zurück, sagte ja und wünschte ihm Glück.
XXXI
Die Besprechung war sehr merkwürdig, sagte Henry. Der Kanzlei habe ich schon berichtet. Dir gebe ich eine abgekürzte Version. Ich muß dich nicht bitten, sie für dich zu behalten; das tust du ohnehin, ich weiß. Eine Tatsache verdrängt alles andere: Kaum hatte ich angefangen, ihnen den Plan zu erklären, leuchteten ihre Augen auf. Ich dachte, Hubert springt gleich vom Sofa auf – wenn er jemanden in seinem Büro empfängt, sitzt er nie hinter dem Schreibtisch – und macht einen kleinen Freudentanz. Die Wirkung auf Jacques war genauso eindrucksvoll, aber Jacques ist eben Jacques, und deshalb war es wahrscheinlicher, daß er nur schwerelos, in sitzender Position, die Arme über der Brust gekreuzt, auf und nieder schweben würde. Nachdem ich die Einzelheiten ausgebreitet hatte, stürzte ich mich in eine leidenschaftliche Rede über die politische Realität, die vorschreibe, daß mein brillanter Plan in den Mülleimer zu werfen sei. Sehr weit kam ich nicht damit; Hubert unterbrach mich. Henry, sagte er, ist die Transaktion, von der wir hören, illegal? Nein, sagte ich. Dann fragte Jacques: Meinen Sie damit, daß wir, juristisch gesehen, kein Risiko eingehen, wenn wir sie durchführen? Ich sagte, es bestehe kein Risiko, daß man für die Transaktion juristisch zur Verantwortung gezogen werde, und sie könne durch eine Klage der Regierung nicht rückgängig gemacht werden, da sie nicht gesetzwidrig sei. Aber dann zählte ich alles auf, was die französische Regierung tun könnte, wenn der Premierminister oder der Finanzminister aufgebracht genug waren oder wenn der Staatspräsident ihnen seine Mißbilligung kundtat. Zwangsläufig wiederholte ich dabei einige Punkte, die ich schon vorher erwähnt hatte. Jacques sah gelangweilt ausund versuchte, mich zum Schweigen zu bringen, aber Hubert sagte: Laß ihn ausreden. Sie hörten zu, aber ich wußte, daß sie mir nicht mehr folgten, und dann sagte Hubert, sehr freundlich, denn schließlich ist er mein Freund und ein Gentleman: Schau, Henry, meinst du nicht, du solltest die Einschätzung der französischen Politik Jacques überlassen, der Franzose und Generaldirektor von l’Occident ist? Und was danach kommt, das laß meine Sorge sein, schließlich geht es um mein Geld.
Darauf blieb mir nur eine Antwort. Ich lenkte ein, so höflich ich konnte, und sagte, es gebe noch ein anderes Problem, das mich und meine Kanzlei betreffe. Ich könne nicht bei der Durchführung einer Transaktion mitwirken, die nach meiner Fachkenntnis auf lange Sicht gesehen gegen die Interessen meines Mandanten sei und allen Beteiligten den geballten Zorn der französischen Regierung eintragen müsse. Wenn sie meinen Rat ausschlagen und den Plan weiterverfolgen wollten, würde ich ihnen aus pragmatischen Gründen empfehlen, sich statt meiner einen anderen Anwalt zu suchen – am besten einen niederländischen, aber auf keinen Fall einen französischen. In ihr eisiges Schweigen hinein sagte ich zum
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