Ehrensachen
White.
Sie sind wirklich nicht übel, antwortete er, aber sie werden sich Henry in den Weg stellen.
XI
Am Ende wurde das Dinner mit Mrs. Palmer ganz gestrichen. Das Café im Commodore, wo sie wohnte – gegenüber vom Hotel der Whites – genüge ihr vollkommen, erklärte sie Archie. Dort für sich allein eine Kleinigkeit zu essen decke ihren Bedarf an Abendunterhaltung in Cambridge. Archie lachte darüber und sagte, uns entgehe nicht viel, und für die Mater sei Pfennigfuchserei ein Vergnügen. Sie war aber einverstanden, auf einen Drink zu uns in die Wohnung zu kommen. Diesmal war keine Rede von Sherry. Mrs. Palmer trank lieber S. S. Pierce Bourbon, eine Marke, die sogar in den entlegenen Offiziersclubs vertreten war, in denen sie und der Oberst verkehrt hatten. Auf der Kommode in Archies Zimmer stand ein Foto, das sie an der Seite eines jungen Offiziers in blauer Paradeuniform zeigte; ich hatte es mir genau angesehen und war nun enttäuscht. Ich hatte eine reifer gewordene Hedy Lamarr erwartet und wurde statt dessen einer kleinen alten Dame vorgestellt, die in einem französischen Schwarzweißfilm hätte auftreten können, vielleicht als Missionarin aus einem Nonnenkloster oder als Haushälterin eines bettlägerigen alten Mannes in einem für ihn viel zu großen Haus am Ende eines Bergdorfes. Entweder war das Foto stark retuschiert, oder die Zeit hatte es besonders schlecht mit ihr gemeint. Wie ich mir hätte denken können, war Mrs. Palmers Aufmachung – schwarze Schuhe mit Kreppsohlen, schwarze Strümpfe, dunkelgrauer Rock aus grobem Flanell, schwarze Strickjacke über einer grauen Bluse mit kleinem rundem Kragen – durchaus zweckmäßig. Sie wollte auf der Fahrt von Houston nach Cambridge im Greyhound-Bus bequeme Kleidung tragen. Mrs. Palmer reiste gern mit dem Bus und plauderte heiterüber die Höflichkeit der Mitreisenden und die Sauberkeit der Toiletten überall, wo Greyhound sie zur Verfügung stellte. Aber Hauptthema unserer Unterhaltung war der Nash, den wir früher am Tag mit Archie inspiziert hatten, als seine Mutter und er von der Probefahrt auf der Route 128 zurückgekommen waren – der Nash und seine vielen Vorzüge. Ich dachte, der auffälligste – die rückklappbaren Vordersitze, die das Auto in ein Doppelbett verwandelten – würde nicht zur Sprache kommen, weil er ein Standardthema anzüglicher Witze war. Ich irrte mich. Mrs. Palmer wies darauf hin, wieviel Geld Archie sparen könne, wenn er dieses Bett nutzte und nicht in Motels ging, er müsse sich nur angewöhnen, mit Schlafsack zu reisen. Noch mehr Freude machte ihr offenbar die PS -Zahl – oder vielleicht die Relation zwischen Motor und Gewicht des Wagens. Sie hätten fünfundneunzig geschafft, und zwar Meilen, sagte Archie, und wahrscheinlich könne man noch etwas mehr herauskitzeln, bevor der Wagen am Anschlag war. Und er ist solide, fügte Mrs. Palmer mit einem Lächeln hinzu. Hättest du den Nash in Panama gefahren, hättest du nicht an Krücken gehen müssen, mit einem Gesicht wie eine Vogelscheuche.
Die Anspielung auf das, was Archie Weihnachten in Panama zugestoßen war, regte Henry aus irgendeinem Grund dazu an, sich nach Archies Vater zu erkundigen. Er fragte, wie der Oberst sich seinen Pflichten in Korea anpasse – ich glaube, das war seine Formulierung.
Er haßt Korea, sagte Mrs. Palmer, wer tut das nicht? Aber er hat sein Kommando, und das ist ihm wichtiger als alles andere.
Gut für Pater, rief Archie. Das heißt doch, daß sie ihm endlich seinen Stern geben?
Das kann man nur hoffen, erwiderte Mrs. Palmer. Sie haben ihn lange genug zum Narren gehalten.
Oberst Palmers Regiment sollte wenige Wochen späterschwere Verluste erleiden, und der Oberst selbst wurde verwundet. Die Beförderung kam jedoch durch, nachdem er aus einem Lazarett in den Staaten entlassen und nach Fort Benning versetzt worden war. Militärische Etikette oder vielleicht konkretere Gründe zwangen ihn, noch ein Jahr auf diesem Posten zu dienen, bevor er sich mit seinem neuen Rang zur Ruhe setzte. Wie sich herausstellte, brauchte er sich damit nicht zu beeilen; die Chirurgen hatten dermaßen viele Splitter in seinem rechten Bein lassen müssen, daß er ohnehin keinesfalls so intensiv Golf spielen konnte, wie er es sich vorgestellt hatte.
Archie hatte offensichtlich nicht gewußt, daß der Traum seines Vaters von einem eigenen Regiment in Erfüllung gegangen war. Ich nehme an, auch ohne Henrys höfliche Frage hätte Mrs. Palmer ihn irgendwann vor
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