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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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geschnittene Biberpelz, in den ihr Mr. White half. Kostüm und Pelz hätten gut zur Garderobe von Mrs. Standish gehören können, aber deren Füße hätten an einem so kalten Abend, an dem die Gehwege vereist waren, bestimmt in soliden Stiefeln gesteckt. Mrs.White trug burgunderrote Pumps mit hohen Absätzen. Ich dachte an meine Mutter, die zweifellos gut aussah und immer, wenn der Anlaß es verlangte, elegant auftrat. Es gab einen großen Unterschied: Meine Mutter wirkte immer so, als habe sie sich die Kleider in letzter Minute übergeworfen, ganz improvisiert, mit einem Hauch von Nachlässigkeit. Mrs. White übte ihren Zauber anders aus. Auch an Mr. Whites Aufmachung war nichts dem Zufall überlassen. Mir gefiel sie: graue Tweedjacke im Fischgrätmuster, frisch gebügelte graue Oxford-Flanellhose, gewienerte schwarze Flügelkappenschuhe, weiß gestreiftes weißes Hemd, blaue Seidenkrawatte mit dunklerem blauen Streifen, schwarzer Mantel und schwarzer Filzhut mit einer kleinen roten Feder im Hutband. Aus der Brusttasche der Jacke lugte ein weißes Tüchlein, säuberlich zu zwei Dreiecken gefaltet. Schwarze kalbslederne Handschuhe, neu und teuer, rundeten das Bild ab. Als ich mir Mr. White genau ansah, fand ich die Lösung für das Rätsel der seltsamen Ausstattung, mit der Mrs. White Henry fürs College gerüstet hatte. Sie hatte ihm einfach die Kleidungsstücke gekauft, die sie gewöhnlich für Mr. White aussuchte, nur ein paar Nummern größer, weil Henry zwar leichter, aber größer als sein Vater war und noch wachsen mußte. Wie hätte sie wissen sollen, daß die Altersgenossen Henrys im College, die er sich zum Vorbild nahm, einen ganz anderen Stil für passend hielten?
    Zurück zum Henri IV . Mrs. Whites Eröffnungssalve hatte den Namensvetter des Königs in eine mühsam unterdrückte Wut versetzt; das muß sie vorausgesehen haben. Ich fürchtete, der Krach zwischen Mutter und Sohn würde auf der Stelle ausbrechen, und so wäre es auch gekommen, hätte Archie dem nicht vorgegriffen. Wahrscheinlich hatte Henry seinen Eltern nicht erzählt, was er von Archies Unfall wußte. Das hätte nur das Mißtrauen gegenüber Archie und mir bestärkt, das sie ohnehin hegten. Vielleicht wußten die Eltern nicht einmal, wie übel es ihn erwischt hatte. Normalerweise spielte er seine Blessuren herunter, aber diesmal nutzte er sie aus. Seine Krücken lehnten dort, wo Henry sie verstaut hatte, an der Wand hinter Archies Stuhl. Deshalb konnte ich von meinem Platz aus gut sehen, mit welchem Trick er sie krachend zu Boden gehen ließ. Sobald das Scheppern die Unterhaltung abrupt beendet hatte, erzählte Archie die Geschichte des Autounfalls langsam und in allen Einzelheiten bis auf eine: Die heftige Trinkerei im Offiziersclub vor seiner Fahrt verschwieg er. Die Whites hörten wie hypnotisiert zu, wahrscheinlich unter Abschätzung der Risiken, denen Henry durch seine Freundschaft mit diesem merkwürdigen und charmanten jungen Mann ausgesetzt war.
    Jetzt aber sehe ich einen Silberstreifen am Horizont, ergänzte Archie. Ich bekomme meine eigenen vier Räder. Das heißt ein Auto.
    Daraufhin holte Mrs. White tief Luft und sagte, so etwas habe sie noch nie gehört. Sie habe großes Mitgefühl mit seinen Eltern, vor allem seiner Mutter.
    Archie schüttelte den Kopf.
    Meine Mutter ist härter im Nehmen, härter als mein Vater, obwohl er der Soldat ist.
    Dann erzählte er uns, daß der Oberst mit einem unmittelbar bevorstehenden chinesischen Angriff vom Yalu aus rechnete und vorhersagte, daß in dem Fall neben China auch Rußland in den Krieg eingreifen würde, so daß die Vereinigten Staaten taktische Atomwaffen einsetzen müßten.
    Unbedingt, sagte Mr. White.
    Als er davon redete, was die Russen und die Chinesen mit dem Rest der Welt vorhatten, ging mir durch den Kopf, daß ich nur einen Menschen kannte, der ihm voll und ganz zustimmen würde: den alten Gummy, der unserem CountryClub vorstand. Nur dachte Gummy auch, wir hätten uns im Zweiten Weltkrieg auf den siegreichen Kampf gegen Japan beschränken sollen; die Russen und die Deutschen hätten sich dann ohne unser Zutun gegenseitig fertigmachen können; diese Einstellung hätte Mr. White, im Gedanken an das wahrscheinliche Schicksal seiner Familie bei einem solchen Ausgang des Krieges, bestimmt nicht gebilligt.
    Die Aufgabe, Archie nach dem Dinner ins Studentenheim zurückzubringen, fiel mir zu. Während wir auf das Taxi warteten, sagte ich, alles in allem gefielen mir Mr. und Mrs.

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