Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
den beiden Anrichten waren Porzellantiere, Schäfer und Schäferinnen und kleine silberne Gegenstände aufgebaut, von denen manche vielleicht Geräte zum Mixen von Cocktails waren. An den Wänden hingen moderne, den Impressionisten nachempfundene Stilleben und Akte, mehr als eigentlich Platz hatten. Der Tisch war gedeckt: Auf einem gestärkten weißen Tischtuch stand Porzellan mit Blumenmuster und eine Menge silberner Schiffchen, Körbe und Dosen, manche mit Pfefferminz gefüllt. In zwei silbernen Leuchtern brannten Kerzen. Mrs. White setzte sich an die Stirnseite des Tisches, Mr. White wies sie den Platz zu ihrer Linken an, und mich plazierte sie zu ihrer Rechten. Henry saß an meiner anderen Seite. Da Freitag sei, habe sie die Kerzen bei Sonnenuntergang angezündet, erklärte uns Mrs. White. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Abendessen anfangen sollen, wenn Henry nur wieder eingefallen wäre, wie man sich zu benehmen hat.
    Aber na ja, fügte sie hinzu. So wie in meinem Elternhaus ist ja doch nichts mehr. Meinen Mann kümmert es nicht, und er hat sich nicht die Mühe gemacht, meinen Sohn zu unterweisen. Ich tue es nur für mich, um mich zu erinnern, wie alles einmal war. So ist es eben jetzt.
    Mr. White öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, machte ihn aber schnell wieder zu.
    Henry murmelte: Um Gottes willen, Mutter.
    Recht so, sagte Mrs. White, fluch du nur weiter. Mach, was du willst. Solange es deinen Vater nicht kümmert.
    Sie servierte das Essen selbst: Pilzsuppe, gebratenes Hühnchen mit Sauce, gedünstete Karotten und pürierten Spinat, Eisberg- und Gurkensalat mit Schimmelkäse angemacht,Käsekuchen und Plätzchen. Henry sprang mehrmals auf, um ihr zu helfen, aber Mrs. White befahl ihm, sich wieder hinzusetzen; auf dem Teppich verschüttetes Essen und Schüsselscherben brauche sie nicht. Sie zerteilte das Hühnchen und häufte uns Berge von Essen auf die Teller. Ich sagte ihr, die Suppe sei die beste, die ich je gegessen hätte. Sie stimmte mir zu, die Suppe sei gut, sie habe echte polnische Trockenpilze zum Kochen genommen. Als ich jedoch das Hühnchen lobte, widersprach sie. Es taugt nichts mehr, sagte sie. Ich hätte es aus dem Ofen nehmen müssen, aber wie hätte ich wissen sollen, daß ihr anderthalb Stunden zu spät kommt? Das Hühnchen ist hin. Bedanken Sie sich bei Ihrem Freund Henry.
    Henrys Miene hatte sich verfinstert. Seine Anstrengung, sich zu beherrschen, war so sichtbar, daß ich mich fragte, ob er seine Mutter damit einschüchtern wollte. Ich hielt mich mit Komplimenten zurück, bis ich den Käsekuchen probiert hatte. Der war wirklich ausgezeichnet, und ich bat um mehr davon.
    Siehst du, er versteht zu essen, erklärte Mrs. White ihrem Sohn und gab mir ein doppelt so großes Stück.
    Dann wies sie ihn an, uns Wein nachzuschenken, möglichst ohne etwas auf das Tischtuch zu verschütten. Wir wollen auf den Herrn Autor trinken, der uns so guten Wein mitgebracht hat.
    Es war eine Flasche Pommard, die ich im Spirituosenladen an der Mount Auburn Street gekauft und als Geschenk hatte verpacken lassen. Nach zwei Versuchen im Coop hatte ich den Plan, ein Kunstbuch zu erwerben, aufgegeben. Der Wein war ordentlich, das wußte ich, aber ich war mir nicht sicher, ob Mrs. White oder vielleicht beide Eltern finden würden, es gehöre sich nicht für einen jungen Mann, ein solches Gastgeschenk mitzubringen. Mir gegenüber ließen sie sich nicht anmerken, ob das ihre Meinung war; falls es Kritik geben sollte, würde Henry sie hören, dachte ichmir. Während der Mahlzeit sagten wir kaum etwas. Wegen der Feindseligkeit zwischen Mutter und Sohn hielt ich mich mit dem Reden zurück, wenn ich nicht angesprochen wurde oder das Essen loben konnte, zum Beispiel den Käsekuchen. Mr. Whites Strategie mag ähnlich gewesen sein; sein einziger Kommentar, abgesehen von der Bitte, das Brot oder etwas anderes weiterzureichen, bezog sich auf Zeitungsberichte über Cohn und Schine: Was immer man von Senator McCarthy halte, die Angriffe der Journalisten auf Cohn und Schine seien unfair. Henry erwiderte sofort, diese beiden seien miese Gauner. Sein Vater hob die Brauen und belehrte ihn, man dürfe nicht alles glauben, was man in der Zeitung lese, worauf Henry fragte, woher er denn zuverlässigere Informationen beziehe.
    Ich war gespannt, was Mr. White Henry entgegenhalten würde. Aber bevor er ein Wort herausbringen konnte, schaltete sich Mrs. White ein: Ich wüßte gern, warum Rysiek immer jeden unterstützt, der Juden die

Weitere Kostenlose Bücher