Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
hatten, für meine Eltern peinlich und vielleicht verletzend war, aber ich wollte bei meinem Entschluß bleiben und beruhigte mein Gewissen mit dem Angebot, nach Weihnachten ein paar Tage zu Besuch zu ihnen zu kommen. Ich nahm die Einladung der Whites an und brach alle Brücken hinter mir ab. Archie wollte über Weihnachten zu Hause in Houston sein und lieh Henry für diese Zeit sein Auto. Es war nicht mehr der Nash; den hatte er nach einer Debütantinnenparty gegen den steinernen Torpfosten eines Anwesens an der North Shore gefahren. Ein unglaublicher Unfall: Der Motorblock war geborsten, aber wie durch ein Wunder war weder Archie noch seinem Mädchen, einer argentinischen Schönheit, etwas zugestoßen. Sozusagen als ein ex voto schenkte ihm Mrs. Palmer daraufhin ein Chevrolet-Kabrio, weil sie glaubte, der Wagen habe eine höhere Beschleunigung, sagte Archie. Wie diese Eigenschaft zukünftige Kollisionen verhindern sollte oder den Unfall in Beverly verhindert hätte, blieb ungeklärt.
    Auf dem Weg nach New York entdeckte ich, daß auch Henry ein risikofreudiger Fahrer war, der durchgezogene Trennlinien zwischen zwei Fahrspuren mißachtete und mit hohem Tempo auf Mautstationen zufuhr, als wolle er eine Schranke durchbrechen. Ich wußte, daß jeder Vorschlag, langsamer zu fahren, beim Reden die Straße nicht aus dem Auge zu verlieren, in der Spur zu bleiben oder ähnliche Ermahnungen alles noch schlimmer machen konnten; er würde sich nur herausgefordert fühlen und mir demonstrieren, wozu er wirklich fähig war. Besser war es, ein unverfängliches Gesprächsthema zu finden. Er hatte mir empfohlen, für den Abend bei Hornungs einen Smoking einzupacken. Das nutzte ich als Stichwort, um mich nach dem Stand der Dinge zwischen ihm und Margot zu erkundigen. Ich fing an mit der Frage, warum wir im Abendanzug erscheinen müßten, wenn wir zu Margots Eltern gingen, und erinnerte ihn, daß er bei seinem ersten Dinner dort keine festliche Kleidung gebraucht hatte. Er sagte, richtig, er habe vergessen, mir zu sagen, daß wir zur alljährlichen Silvesterparty der Hornungs gehen würden. Sie seien nicht sicher gewesen, ob die Party diesmal stattfinden konnte. Da eine ihrer ältesten Freundinnen sehr krank geworden war, hatten sie sich verpflichtet gefühlt, abzuwarten, ob es mit ihr zu Ende ging. Vor ein paar Tagen hatte der Arzt aber versichert, sie sei auf dem Weg der Besserung, und sie liefen nicht Gefahr, im Haus ein fröhliches Fest zu feiern, während die Freundin im Sterben lag oder gerade gestorben war.
    Ich sagte, dieses Kalkulieren habe etwas Makabres. Henry lachte und erzählte mir, genau dasselbe habe er zu Margot gesagt, die daraufhin eingeschnappt sei und ihn in näselndem Ton habe wissen lassen, so werde es immer gemacht, zum Beispiel, wenn Leute kranke Verwandte haben und eine Einführungsparty oder eine Hochzeit planen. Hier hakte ich ein und fragte, ob Margot und Etienne Hochzeitspläne hätten. Erst antwortete er gar nicht und gab dann zu, daß er es einfach nicht wußte. Er verstehe Margot immer weniger, obgleich sie ständig zusammen seien, praktisch jeden Tag.
    Um ganz genau zu sein, fuhr er fort, getan haben wir’s noch nicht, aber es ist fast so, als ob. Ich überlasse immer noch ihr die Führung – egal, wohin uns das bringt. Was wirmachen, befriedigt sie, gar keine Frage. Und für mich ist es das Paradies.
    So gut wie mit Madame van Damme?
    Er warf mir einen schrägen Blick zu und brauste auf die mittlere Spur, um das Auto vor uns im letzten Moment zu überholen.
    Ja, sagte er, so gut wie mit Madeleine. Nur eben anders. Was ich dir gerade erzählt habe, erklärt zum Teil, warum ich Margot nicht verstehe. Sie und Etienne schreiben einander jeden Tag. Gleich nach den Prüfungen kommt er nach Boston und hält einen Vortrag an der Business School, in einem Seminar über das europäische Bankwesen; sie hat mir schon gesagt, daß sie mit ihm und nicht mit mir zusammensein wird, wenn er hier ist. Vielleicht bin ich eine Art Nebenbeschäftigung für sie.
    Hast du sie um eine Erklärung gebeten?
    Nicht wirklich. Sie weiß, daß diese Frage im Raum steht, wenn wir zusammen sind, und sie will es nicht wahrhaben. Ausdrücklich zu fragen würde Streit bedeuten. Ich möchte nicht mit ihr streiten. Außerdem weiß ich, daß ich nicht in der besten Position bin, ihr vorzuwerfen: Wie kannst du erwarten, daß ich dich mit Etienne teile?
    Meinst du, sie weiß es? fragte ich.
    Auf keinen Fall, erklärte er. Madeleine ist

Weitere Kostenlose Bücher